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Die Heidn

Versuche einer Familiengeschichte

Von Willy Heidn







(Uwe Kerntopf: Diese Arbeit ist auch nahezu identisch publiziert worden in der Altpreußischen Geschlechterkunde, Familienarchiv, Band 5, Hamburg 1972/73. Inklusive der von Willy Heidn an Harald Wittke am 21. Juli 1974 mitgeteilten Korrekturen.)
 

Bis kurz nach dem ersten Weltkrieg lebte in Kamionken (1943 umbenannt in Steinheide) Kreis Karthaus, Westpr., die Familie Heidn. Nach der Abtretung Westpreußens an Polen verkauften die Inhaber der drei Bauerngrundstücke, die die Familie Heidn besaß, ihre Besitzungen und zogen nach Pommern, von wo sie nach dem zweiten Weltkriege vertrieben wurden. Die Nachkommen der Familie leben zum größten Teile in der Bundesrepublik, zum kleineren Teile in der Sowjetzone.

Von wo sind die Heidn bzw. Heyden oder Heiden nach Westpreußen gekommen? Mein Vater August Heidn erzählte mir in meiner Jugend, daß die Heidn aus Mecklenburg und Westpommern nach Ostpommern und Westpreußen gekommen seien. Die spätere Nachforschung hat diese Angabe bestätigt.

Neben den Heyden bzw. Heiden, die hauptsächlich landwirtschaftlichen Berufen nachgingen oder Glasmacherei betrieben, gab es in Westpommern ein adliges Geschlecht derer von Heiden (auch Grafen von Heyden), das in der Nähe von Demmin und Pasewalk seinen Wohnsitz hatte, in den Orten Kartlow, Bollentin, Toitin usw. Die bürgerlichen Heiden wohnten vor 1945 sehr zahlreich in den benachbarten Orten Boldekow, Crien, Iven, Spantekow, Teterin usw. Die Frage, ob irgendwie ein Zusammenhang zwischen den adligen und den bürgerlichen Familien dieses Namens besteht, hat F. W. Barthold, Dr. phil., ordentl. Professor der Geschichte an der Universität Greifswald, Mitglied verschiedener deutscher und nordischer Vereine für Geschichte und Altertumskunde, in seinen in Greifwald 1857 erschienenen Buche: “Urkundliche Geschichte der Edlen Herren von Heyden in Westfalen bis auf die ersten Jahrzehnte des XV. Jahrhunderts in Pommern bis auf die neueste Zeit” untersucht.

Nach Bartholds Untersuchungen stammen die von den Heyden aus Westfalen, und zwar aus der Freigrafschaft Heiden in der Nähe von Borken, wo sich heute noch die Ortschaft Heiden befindet. Sie sind karolingische (fränkische) Reichsbeamte gewesen, die dort zur Verwaltung der Freigrafschaft eingesetzt worden sind. Sie haben immer an den folgenden Schreibweisen ihres Namens festgehalten: Heithen, Heiden, Heidene, Heydene, von Heiden, von Heyden. Niemals nannten sie sich Heide, von der Heyde oder ähnlich. Ihr Name wurde immer mit dem Worte “paganus”, ins Lateinische übersetzt. Als erster Träger des Namens im Gebiete der Freigrafschaft Heiden sind im Jahre 1152 die Brüder Wennemar und Adalhard belegt. Diese Vornamen weisen darauf hin, daß das Geschlecht zu den fränkischen Edlen gehört hat. Weiter südlich werden schon 1145 ein Tidericus de Heyden und seine Brüder Ludolfus und Gerunc genannt. Von den übrigen von Barthold erwähnten Namensträgern seien nur noch genannt: 1265 “Dinggrav” Menco de Heydene und 1316 “Grav” Menso von Heydene. Ein Sproß dieser adligen Familie erscheint 1226 in Mecklenburg im Hoflager von Heinrich Borwin dem Älteren. Es ist Thidericus Paganus oder Dietrich der Heydene. Es war die Zeit, als auch Angehörige anderer Adelsgeschlechter nach dem Osten gingen, dort Hof- und Kriegsdienste leisteten und dann zur Belohnung mit Gütern belehnt wurden. Die Heyden erhielten, wie schon erwähnt, Güter in Westpommern, und zwar zwischen den Flüßchen Peene und Tollense. Daß in diesem Gebiet neben den adligen Trägern des Namens auch Bürgerliche in reicher Anzahl vorhanden waren, erklärt Barthold wie folgt: “Treffen wir gleichwohl den Namen Heyden in bürgerlichen und bäuerlichen Familien diesseits und jenseits der Peene, so bieten sich für diese Tatsache genügend Erklärungsgründe. Einmal können es wirkliche, eheliche Abkömmlinge des adligen Geschlechts sein, deren Herkunft sich allmählich verdunkelt dann aber ist auch sehr wahrscheinlich, daß die nach Pommern eingezogenen ersten Heydenen aus Westfalen deutsche Bauern und Feldarbeiter herbeiriefen, welche sich in Pommern ebenso füglich Heydene nannten wie der adlige Stamm, der sich erst spät an das von Heyden gewöhnte.” Wie dem auch sei, ob es sich bei den bürgerlichen Heyden um Abkömmlinge der adligen Linie (ohne eigenen Landbesitz) oder um Einwanderer aus der Grafschaft Heiden handelt, fest scheint zu stehen, daß die Heyden aus Westfalen nach Mecklenburg und Westpommern gekommen sind.

Jetzt soll gezeigt werden, wie der in Frage kommende Zweig der Heydens, der sich später Heidn schrieb, von Westpommern nach Westpreußen gekommen ist. Am 11. November 1723 wurde in der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche in Feldberg/Mecklenburg Jost Martin Heyden getauft. Als Geburtsort ist Conov (Konov), ebenfalls Mecklenburg, angegeben. Als Eltern sind genannt: Christoff Heyden, Königl. Preußischer Gens d‘armes, und Catharina Sophia Kohfeld. Feldberg und Conov liegen in der Nähe der Stelle, wo Mecklenburg, Pommern und Brandenburg zusammenstoßen. Christoff Heyden dürfte demnach in Pommern oder Brandenburg an der Landesgrenze Gendarm gewesen sein. Seine Frau hat er aus dem benachbarten Conov jenseits der Grenze geholt. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Vater der Catharina Sophia Kohfeld um einen Glasmacher. Nach Ulrich Graf von Oeynhausen: “Glashütten in Mecklenburg” (Schwerin 1905) waren die Kohfeld bezw. Kauffeldt ein altes Glasmachergeschlecht, das aus Hamburg und Holstein stammte und seit 1642 in Mecklenburg nachzuweisen ist. Über den Vater des Jost Martin Heyden ist sonst weiter nichts bekannt. Die Mutter, die geborene Kohfeld, starb als Witwe in Rothemühl, Kirchspiel Dargitz, Westpommern, am 5. Oktober 1769, 80jährig. Sie müßte demnach um 1690 geboren sein. 1754 und 1756 lebte sie als verwitwete Einliegerin bei Johann Heinrich Kohfeld in der Glashütte Heinrichsruhe, Kirchspiel Ferdinandshof bei Pasewalk. Ihr Sohn Jost Martin Heyden wird 1752 und 1756 im Verzeichnis der Glasarbeiter in Heinrichsruhe aufgeführt. Es ist anzunehmen, daß die Mutter mit ihrem Sohn dort, als sie verwitwet war, bei ihren Verwandten, den Glasmachern Kohfeld, ein Unterkommen gefunden hatte. Weitere Auskünfte erteilte das Kirchenbuch Ferdinandshof. Danach wurde Jost Martin Heyden am 9. Januar 1743 mit Anna Catharina Elisabeth Rahel Alrip, der Tochter des dortigen Glasmachers Hans Jürgen Alrip, getraut. Von 1744 - 1762 sind im Kirchenbuche Ferdinandshof die Geburten von 10 Kindern des Jost Martin verzeichnet. Demnach hat er mindestens von 1743 - 1762 in der Glashütte Heinrichsruhe gelebt. 1763 hat Jost Martin seinen Wohnsitz in der Glashütte bei Zettin, Kreis Rummelsburg. Er ist in der Zettiner Kirche am 8. Dezember 1763 Taufzeuge und seine Ehefrau Rahel ebendort Taufzeugin am 25. Januar 1768. Das Ehepaar hat also von 1763 bis mindestens Anfang 1768 in der Glashütte bei Zettin gewohnt. Von Rahel Heyden, geb. Alrip erfahren wir dann nichts mehr. Ihr Mann starb am 20. Oktober 1794 in der Groß-Wonschinker Glashütte (Groß-Wunneschin) Krs. Lauenburg/Pommern. Er erreichte damit ein Alter von fast 71 Jahren. In der Kirchenbucheintragung zu Labuhn, Krs. Lauenburg wird er als “frey” bezeichnet.

Die Ahnenreihe wird fortgesetzt mit dem als 10. Kind in Heinrichsruhe geborenem Johann Friedrich Wilhelm Heyden. Er wurde am 6. Juli 1762 getauft. Die Familie erscheint jetzt, 1768 und später, abwechselnd in den dicht beieinander liegenden Glashütten Cosemühl, Mickrow (beide Kreis Stolp) und Groß-Wunneschin Krs. Lauenburg. Der Pastor in Labuhn gebraucht irrtümlicherweise eine neue Schreibweise des Namens. Er wandelt ihn in Heydel um. In der andern, an sich zuständigen Kirche in Mickrow bleibt aber weiter die Schreibweise Heyden oder Heiden. Johann Friedrich Wilhelm Heyden heiratete am 29. September 1785 die Jungfrau Sophia Elisabeth Dreiske, die Tochter des Gutsverwalters Johann Gottfried Dreiske aus Chotzlow (später umbenannt in Mackensen) Krs. Lauenburg. Heyden wird als Glasfabrikant bezeichnet; er scheint also irgendwelche Eigentumsrechte an der Glashütte Cosemühl (damaliger Wohnsitz) gehabt zu haben. In den Kirchenbüchern sind die Geburten von 12 Kindern verzeichnet, von denen vier in ganz frühem Kindesalter starben. Wilhelm Heyden verlegte seinen Wohnsitz nach 1805 nach der Neu-Buchwaldschen Glashütte (später umbenannt in Neuhütte) Krs. Bütow. Ein Sohn wurde 1809 in Neu-Buchwald geboren. Wilhelm Heyden verstarb hier am 2. September 1812 im Alter von 50 Jahren. Seine Ehefrau Elisabeth verlegte ihren Wohnsitz als Witwe zu ihrem Sohne nach Kamionken, wo sie am 12. Oktober 1856 im Alter von 88 Jahren verstarb.

Am 7. April 1803 wurde in der evangelischen Pfarrkirche in Mickrow ein Sohn des Wilhelm Heyden, Johann Gottfried Christoph Heyden, getauft. Als Geburtsort ist die Glasfabrik Groß-Wunneschin angegeben. Dieser Johann Gottfried Heyden, mein Großvater, hat sich später immer Heinrich Gottfried genannt. Es läßt sich heute nicht mehr feststellen, aus welchem Grunde dies geschehen ist. Wahrscheinlich ist die Eintragung im kirchlichen Taufbuch falsch. Wie dem auch sei, besagter Heyden nannte sich später immer Heinrich Gottfried. Er hat auch die Schreibweise des Namens in Heidn umgewandelt. Die Gründe dafür sind unbekannt. Jedenfalls nennen sich seine Nachkommen Heidn bis auf den heutigen Tag. Die andern Zweige der Familie haben die Schreibweise Heyden bzw. Heiden beibehalten.

Heinrich Gottfried Heidn, mein Großvater, wurde am 26. November 1829 in der Kirche zu Jassen, Krs. Bütow, mit Henriette Ernestine Zielke getraut. Ihr Vater war der Besitzer Christian Zielke aus Kamionken. Sie war das einzige Kind von Christian Zielke und seiner Ehefrau Anna Maria, geb. Taube und war deshalb alleinige Erbin des Bauernhofes.
 

Heinrich Gottfried verlegte seinen Wohnsitz nach Kamionken und bewirtschaftete seinen Landbesitz. Zunächst scheint er aber an der landwirtschaftlichen Arbeit wenig Geschmack gefunden zu haben; denn nach 1837 verzog er nach Neuhof (später Neu-Rakitt), wo inzwischen eine Glashütte eingerichtet worden war, und widmete sich wieder der Glasmacherei. Im September 1837 war ein Sohn in Kamionken geboren worden. In Neuhof wurden ihm zwei Söhne geboren, und zwar 1840 und 1842. Das nächste Kind wurde im Jahre 1843 schon wieder in Kamionken geboren. Während der Abwesenheit der Familie von Kamionken wurde, da der Schwiegervater schon 1839 verstarb, der Besitz von der Schwiegermutter Anna Maria, geb. Taube verwaltet. Folgendes wurde über diese Besitzverwaltung erzählt: Am Bergabhang nach dem “Mißbrauk” (Moosbruch) hin pflegten sich die Arbeitsleute in der Mittagssonne zum Schlafen hinzulegen. Einer von ihnen mußte Posten stehen. Wenn er rief: “De Ollach kimmt” (Die Alte kommt) griffen alle emsig nach den Arbeitsgeräten und taten so, als ob sie arbeiteten. Sobald die “Ollach” verschwunden war, legten sie sich wieder zum Schlafen hin. So ist das Besitztum in jener Zeit sehr schlecht bestellt und verwaltet worden, und als die geborene Taube 1842 starb, scheint die Wiederumsiedlung nach Kamionken sehr dringend geworden zu sein, und sie erfolgte dann auch bald darauf.

Was ist aus früheren Zeiten von Kamionken bekannt, und wo liegt dieser Ort überhaupt? Kamionken liegt im Kreise Karthaus hart an der pommerschen Grenze, 8 km südwestlich von Gowidlino. Auf der pommerschen Seite liegen von Süden nach Norden die Gemarkungen von Buchwalde und Althütte, beide Kreis Bütow. Im Norden stieß Kamionken an die staatliche Forst, die sich zwischen Kamionken und Gowidlino ausdehnte, im Osten an den Borrecker Ortsteil Borrowilaß und im Süden an Bawerndorf, einen Ortsteil des Gutes Chosnitz. An der Westgrenze gab es drei Seen, den Kamionker See dicht beim Dorf und weiter nach Norden den Kleinen und den Großen Trzemesno-See. Nordöstlich vom Dorfe, dicht am Bauernwalde, lag ein vierter kleiner See, der von einem Schwingmoor umgeben und schon dicht am Ufer grundlos war. Auf diesem See gab es fünf schwimmende kleine Inseln, die, je nach Windrichtung, von einem Ufer zum andern getrieben wurden. Außerdem gab es in der Staatsforst noch zwei Seen, die nach ihrer Form Langer und Runder See genannt wurden. An der Südgrenze der Gemarkung lag ein großes Schwingmoor, das zur Hälfte zu Bawerndorf gehörte. Hier dürfte es sich um einen im Laufe der Zeit zugewachsenen See handeln; dieses Moor wurde “Mißbrauk” genannt. In den Torfbrüchen südwestlich vom Dorf sammelte sich das Wasser zu einem Bache, dem Paschkenbach, der der pommerschen Grenze zustrebte und dann Grenzbach zwischen Pommern und Westpreußen wurde und den Kleinen und Großen Trzemesnosee durchfloß. Einen Zufluß erhielt der Paschkenbach aus dem Kamionker See, dem seinerseits ein Bächlein aus den Wiesen des Forstgrundstücks zuströmte. Der Paschkenbach mündete auf pommerschem Gebiet in die Lupow. Damit gehörte das Kamionker Gebiet zum Flußgebiet der Lupow, eines pommerschen Küstenflusses, der sein Wasser in die Ostsee führt. Die höchste Erhebung auf der Kamionker Gemarkung ist der Galgenberg südlich vom Ort, 225,5 m hoch. Ein anderer Berg dicht am Walde nördlich vom Dorf wurde Wawagor genannt, wahrscheinlich verderbt aus dem slawischen baba gora = Großmütterschenberg. Der Ort selbst bestand vor der Abtretung an Polen aus vier Bauerngrundstücken, einem Forstgrundstück und einem Abbau mit etwas Landbesitz. Der Abbau lag ca. 1 km östlich vom Dorf.

Kamionken wird in der Lustration (Steuernachweisung) von 1765, als Westpreußen noch der polnischen Krone unterstellt war, erwähnt.

Es gehörte zur Starostei Mirchau. Der Starost war u.a. auch der Verwalter der königlichen Güter. Kamionken war mit vier Katen besetzt gewesen, die aber zur Zeit der preußischen Besitzergreifung 1772 von ihren Bewohnern verlassen waren. Die Katen befanden sich in schlechtem Zustande. Der Arrendator (Verwalter) der Pustkowie Kamionken war auch fortgegangen, “Vermutlich wegen der übertriebenen Abgaben", wie es in einem Protokoll vom 24. März 1775 heißt. Dabrinnus erwähnt in seinem Buche: “Die ländliche Bevölkerung Pommerellens im Jahre 1772 mit Einschluß des Danziger Landgebietes im Jahre 1793” (Marburg/Lahn, 1953) auf Seite 53 Gowidlino als einen Ort, in dem es einen Förster gab. Da aber Kamionken als ein Abbau Gowidlinos galt, wird der eigentliche Wohnsitz des Försters Kamionken gewesen sein; denn hier saß nach dem oben erwähnten Protokoll der “Unterförster Johann Wenta mit seinem Weibe”. Bei dem Namen Wenta dürfte es sich um eine Kaschubisierung des deutschen Namens Wendt handeln.

Die Angehörigen der Familie Wenta waren die einzigen Bewohner der Pustkowie. Es wurde wiederholt versucht, “die wüste Pustkowie” auszutun, d.h. sie mit einem Siedler zu besetzen. Von Trinitatis 1775 übernahm Thomas Zielke “das bei dem Mirchauschen Amtsdorfe Gowidlino belegene wüste Hochzins-Erbe”. Woher Zielke kam, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich bei ihm um den 1772 im Kontributionskataster von Parchau genannten Thomas Cielke, der Arrendator bei der Witwe Krügerin war. Unter dem 24. März 1775 wurde ihm ein “Annehmungsbrief” ausgestellt. Danach sollte er für das erste Jahr “den von diesem Erbe zum Ertrage gebrachten wüsten Zins entrichten und dafür die zerfallenen Wohn- und Wirtschaftsgebäude von dem ihm bewilligten freien Bauholze auf eigene Kosten in komplett tüchtigen Stand setzen und sich den erforderlichen Besatz” verschaffen. Ab Trinitatis 1776 waren “prompt abzuführen” 15 Reichstaler 30 Groschen jährlich zu Martini an das Amt, sowie “die Contribution von 3 Reichstalern in monatlichen Ratis an die Kreis-Kontributionskasse.” Von Scharwerk war Zielke befreit, blieb aber “doch zu Burgdiensten und andern dergleichen oneribus und praestandis verpflichtet". Zielke übernahm “die sogenannte Pustkowie Kamionken, bestehend in einer Hube 28 Morgen 150 Quadratruten Culmisch, exclusive des Unterförsterlandes, ohne Aussaat mit Inventario mit denen darauf vorhandenen verfallenen Gebäuden”.

Thomas Zielke lebte bis zum 8. November 1807. Nach der Eintragung im Kirchenbuch Großpomeiske Kr. Bütow ist er 94 Jahre alt geworden. Er wäre dann 1713 geboren; dann wäre er 1775, als er Kamionken übernahm, 62 Jahre alt gewesen. Über seine Ehefrau ist hier nichts bekannt. Wahrscheinlich war Thomas Zielke schon Witwer, als er Kamionken übernahm. In den Kirchenbüchern von Großpomeiske war jedenfalls nichts aufzufinden, was hätte weiterhelfen können. Da Zielke evangelisch war, ist anzunehmen, daß er aus Pommern stammte.

Es existiert ein Katasterprotokoll vom 31. August 1789. Zu diesem Zeitpunkt wird schon Johann Zielke der Sohn des Thomas, als Besitzer des Grundstückes bezeichnet. Nach diesem Protokoll besaß Z i e l k e vier Hufen 12 Morgen 54 Ruten und der Unterförster Wenta 20 Morgen 25 Ruten “Magdeburgisch Maß”. Über die Beschaffenheit des Ackers heißt es: “Der Acker hierselbst ist bergigt, schlupfigt, und hat einen kalten Grund, das Mißfeld wird alle Jahre gesäet, das erste Jahr mit Gerst, das andere Jahr mit Roggen und das dritte Jahr mit Hafer, das Grundfeld wird in drei Theile getheilt, davon 2 Theile besäet und das 3te brag liegen bleibt, es wird hier auch Palten Mist gemacht, weil das gewonnene Stroh in Hexel verfuttert wird.” Über den Ertrag der Wiesen berichtet das Protokoll: “Der Zielke macht etwa 2 kleine Fuder und der Unterförster 1 klein Fuder jährlich.” Über die Beschaffenheit der Weide steht im Protokoll: “Die Weide ist theils im Königl. Walde theils auch auf ihren Hubenschlägen, zwar beträglich genug, aber ungesund, weil das Vieh oft das Blutnaggen bekommt und crepiert, daher auf die Viehzucht nicht viel zu rechnen ist”. Über die Aussaat heißt es: “Der Zielke säet jährlich aus 12 Scheffel Roggen, 3 Scheffel Hafer, 3 Scheffel Gerste, 1 Scheffel Erbsen, 1/2 Scheffel Buchweitzen, 1/4 Scheffel Lein. Der Unterförster 4 Scheffel Roggen 2 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Hafer, 1/2 Scheffel Buchweitzen, 2 M(aß) Lein. Der Gewinst vom Roggen ist selten zum 2ten Korn zu rechnen, die Gerst und der Hafer bringen wohl das 3. Korn”. Der Viehstand: “Der gegenwärtige Viehstand der beiden hiesigen Einsassen besteht in 2 Pferde, 4 Ochsen, 2 Kühe, 2 Jungvieh, 6 Schweine.” Zustand: “sind arme Leute, Pustkowiäner nährt sich vom Ackerbau und Viehzucht, kocht dann und wann etwas Okrach” (Okrach wahrscheinlich vom polnischen okruch = Krume, Brocken; es dürfte sich also wohl um Brotsuppe handeln). Kirche und Schule: “Die Poskowie ist in die katholische Kirche zu Sierakowitz eingepfarrt. Der Zielke, welcher evangelischer Religion ist, hält sich nach Jason (Jassen) in Bütowschen District zur Kirche und unterrichtet seine Kinder selbst.” Getränke: “zu Ausrichtungen ist er verbunden aus dem Amte zu nehmen.” Das Brauen von Bier oder Branntwein war ihm damit untersagt. Im ganzen gesehen, kann man wohl sagen, daß die Kamionker Einwohner der damaligen Zeit bitter arm waren.

Wir wissen nicht, wo Johann Zielke und seine Ehefrau Anna Christina Wiedenhöft geboren sind. Auch die Trauurkunde liegt hier nicht vor. Johann Zielke starb am 28. Mai 1797 im Alter von 46 Jahren und seine Frau am 4. März 1817, 50 Jahre alt. Der Ehemann wäre demnach 1750/51 und die Ehefrau 1766/67 geboren.

Die Besitzung übernahm Johanns Sohn Christian, der am 13. Januar 1782 geboren wurde. Er heiratete am 12. Juni 1810 Anna Maria Taube, deren Vater Arrendator in dem Tuchliner Ortsteil Tuchlinsche Hütte (später Neu-Tuchlin) war. Maria Taube war am 2. März 1768 in Gans Kr. Lauenburg geboren, war also 14 Jahre älter als ihr Mann. Es ist daher wohl keine Liebesheirat gewesen; sondern die geb. Taube dürfte wohl Geld in die Ehe gebracht haben. Die Folgen blieben nicht aus. Der Ehemann hatte ein Verhältnis mit einem Fräulein Eichmann, das in einer zur Besitzung gehörigen Kate wohnte. Dem Verhältnis entsprossen mehrere (ich glaube drei) Kinder, während in der Ehe selbst nur eine Tochter am 7. Juni 1811 geboren wurde, meine Großmutter Ernestine Henriette Zielke, die, wie vorhin erwähnt, den Glasmacher Heinrich Gottfried Heidn aus der Neubuchwaldschen Glashütte heiratete. Christian Zielke starb am 18. Januar 1839; er wurde also 57 Jahre alt. Seine Frau starb am 2. Januar 1842 im Alter von fast 74 Jahren. Meine Großeltern bewirtschafteten nun Kamionken. Außer der Familie Heidn wohnte im Orte noch der Förster in einem alten Hause an der Straße nach Gowidlino, außerdem zwei Kätnerfamilien, die bei der Bewirtschaftung des Grundstückes zur Hilfeleistung herangezogen wurden. Auf dem Forstgrundstück ist bis 1789 der mehrfach erwähnte Unterförster Wenta nachweisbar; 1811 wird ein Förster Keßler genannt, später Grybowski. Dann kam eine Zeit, in der hier nur Waldwärter angestellt waren, 1846 - 1858 Trampenau, 1858 - 1866 Duderstädt, um 1872 Holzheimer. Es werden noch Gottke, Bethke und bis etwa 1885 Sawade genannt. Von da ab war wieder ein Förster in Kamionken, und zwar der Förster Toepper, der spätere Hegemeister, der nach dem ersten Weltkriege in Pension ging, nach Pommern verzog und dort gestorben ist. Um 1890 wurde das alte Försterwohnhaus abgebrochen. Auf einer Anhöhe oberhalb des alten Wohnhauses wurde ein neuzeitliches errichtet, dazu eine Scheune und ausreichende Stallungen.

Ein Kilometer östlich vom Dorf, abseits von der Straße nach Borrowilaß, dicht an der staatlichen Forst, befand sich noch ein Grundstück mit Wohnhaus und Stallungen, von dem ich vermute, daß es ursprünglich für einen Waldarbeiter errichtet worden ist. Es waren ungefähr 20 Morgen Land, die hier bewirtschaftet wurden. Es ist nicht bekannt, wer hier der erste Siedler war. Jedenfalls war der Abbau-Kamionken 1820 schon vorhanden. Um 1880 wohnte hier eine Witwe Frau Birkholz; sie heiratete in 2. Ehe einen Wilhelm Wittke, von dem ich annehme, daß er mit den Heidns verwandt war. Eine Schwester meines Großvaters Heidn hatte 1832 den Schuhmacher Carl Friedrich Wittke in Bütow geheiratet. Da in der Folgezeit ein Schuhmacher Wittke eine Kate in Kamionken bewohnte, nehme ich an, daß es sich um den verwandten Schuhmacher Wittke aus Bütow gehandelt hat. Wilhelm Wittke dürfte ein Sohn dieses Schuhmachers gewesen sein. Um die Jahrhundertwende verkaufte er seinen Besitz an den Schneidermeister Karl Gohr aus Groß-Rakitt Kr. Stolp, der ihn kurz vor der Abtretung Westpreußens an Polen am einen Kaschuben v. Daleki aus Borreck verkaufte.

Heinrich Gottfried Heidn bewohnte ein Haus, das an der Straße nach Borrowilaß stand, kurz vor der Abzweigung einer Straße nach Bawerndorf. Eine Zeit lang ist er als Gemeindeschöffe tätig gewesen. Später wurden die beiden Besitzungen (Heidn und Abbau-Kamionken) mit dem Forstgrundstück und dem staatlichen Walde zu einem Forstgutsbezirk zusammengelegt, dem auch Smolnik, ein Gut in der Nähe von Gowidlino, hinzugefügt wurde. Der Förster Toepper war der Gutsvorsteher.

Nachdem 1842/43 der Umzug meiner Großeltern von Neuhof nach Kamionken erfolgt war, konnte die Familie sich jetzt einer intensiveren Bewirtschaftung ihres Landbesitzes widmen. Soweit ich die Angelegenheit übersehen kann, waren die genauen Grenzen zur staatlichen Forst noch nicht festgelegt. Das geschah nun in der Folgezeit. Grenzgräben wurden gezogen und Grenzhügel aufgeworfen. Westlich vom staatlichen Walde erstreckte sich eine Bruchwiese bis zum Bachgraben (Paschkenbach) an der Pommerschen Grenze. Diese Wiese zerfiel in ein südliches und ein nördliches Stück. Beide waren durch einen ganz schmalen Schlauch, auf dem ein vollbeladener Heuwagen kaum Platz hatte, von ca. 100 m Länge miteinander verbunden. Der nördliche Teil der Bruchwiese reichte bis zum Großen Trzemesnosee. Diese Wiese, die zum Besitztum Heidns gehörte, wurde nun gegenüber dem staatlichen Walde genau abgegrenzt. Jedes in den Wald vorspringende Stück, das nicht mit Bäumen bestanden war, wurde dem bäuerlichen Besitz zugeschlagen. Auch der eben erwähnte Wiesenschlauch blieb bäuerlich. Dazu kam der halbe Kleine und ein ganz schmaler Streifen des Großen Trzemesnosees. Das Hüterecht im staatlichen Walde wurde abgeschafft und dafür ein ziemlich großes Stück Wald an Heidn abgetreten. Nun ging man daran, die Beschaffenheit des Bodens zu verbessern und ertragreicher zu gestalten. In den Bruchwiesen wurden Gräben gesogen, das Wasser abgeleitet und der Wiesengrund durch Düngung verbessert, so daß fruchtbare Wiesen entstanden. Auch die tiefgelegenen Ackergründe wurden in Wiesen umgewandelt. Das Strauchwerk in den Talgründen wurde entfernt, so daß auch hier ertragreiche Wiesen entstanden. In dem Walde verschwanden die niederen Sträucher, so daß durch Licht und Luft das Wachstum der Stämme gefördert wurde. In dem Kamionker See gab es viel Holz, da er wahrscheinlich durch Senkung eines Sumpfes , der mit Bäumen bestanden war, entstanden war. Man bemühte sich, das Holz aus dem See zu entfernen, so daß mit einem Netz gefischt werden konnte. Im See gab es Hechte, Barsche, Plötze und Karauschen. Alle diese Arbeiten wurden zu Lebzeiten meines Großvaters in Angriff genommen und von seinen Söhnen und Enkeln weiter fortgeführt.

Meine Großeltern hatten 13 Kinder, von denen aber acht schon in frühem Kindesalter verstarben, so daß nur fünf, drei Jungen und zwei Mädchen überlebten. Die Überlebenden waren: Carl Friedrich Wilhelm. geb. 19.9.1831, August Friedrich, mein Vater, geb. 12.9.1837, Ferdinand Gottfried Wilhelm, geb. 22.2.1840, Konradine Friederike Ernestine, geb. 2.12.1845 und Maria Euphrosine Elisabeth, geb. 9.2.1848. Unter die beiden ältesten Söhne, Wilhelm und August, wurde 1864 der Grundbesitz gleichmäßig aufgeteilt. Wilhelm blieb in dem alten Wohnhause, in dem auch Heinrich Gottfried Heidn als Altsitzer seine Wohnung behielt.

August Heidn zog in eine Kate etwas weiter westlich in der Nähe des Sees und erbaute sich hier ein neues Wohnhaus. Ferdinand Heidn war irgendwo in der Schneiderlehre gewesen. Er hat später auch in Kamionken gewohnt, in der Kate am Wege nach Gowidlino. Ich weiß nicht, wieviel Jahre er dort gewohnt hat. Ich habe ihn aber doch noch in meiner Jugend gekannt. Er kam häufig abends oder nachmittags nach “unten” in das Wohnhaus meines Vaters; dort setzte er sich auf die Ofenbank und unterhielt sich mit meinem Vater oder auch mit mir. Er war wohl damals schon kränklich; denn er sprach viel über seinen schlechten Gesundheitszustand. Die Krankheit würde sich nach dem Herzen hinziehen, und dann würde er sterben. Der Tod ist dann auch bald eingetreten. Meine Großmutter Henriette Zielke starb am 2. Februar 1870 im Alter von 58 1/2 Jahren, mein Großvater Heinrich Gottfried Heidn am 29. Januar 1877, fast 74 Jahre alt. Beide in Kamionken.

Wilhelm Heidn, mein Onkel, verheiratete sich 1865 mit Alwine Putkammer aus Kroßnow Krs. Bütow. Sie war damals 21 Jahre alt, also wohl 1844 geboren. Ihr Vater war der Königl. Frei- und Lehnsschulze Hermann Putkammer in Kroßnow. In der Ehe wurden sechs Kinder geboren, von denen der älteste Sohn im Alter von zwei Jahren verstarb. Die älteste Tochter Martha Luise Juliana, geboren 8. Januar 1870, heiratete am 11. Januar 1907 den Besitzer Paul Ernst Soyk in Großpomeiske. Die zweite Tochter Maria Augusta Franziska, geboren 9. April 1872, verheiratete sich am 13. November 1908 mit dem Tischlermeister Eduard Johann Neumann aus Sommin Krs. Bütow. Die dritte Tochter, Bertha Adelina Johanna, geb. am 11. Februar 1874, kenne ich nur von ihren kurzen Urlaubsaufenthalten in Kamionken. Ich weiß nicht, wo sie beschäftigt war. Ich weiß aber noch, daß sie tiefschwarzes Haar hatte, was mir außerordentlich imponierte, da ich bisher noch kein weibliches Wesen mit dieser Haarfarbe gesehen hatte. Bertha soll einen Zigarrenhändler in Havelberg geheiratet haben.

Inzwischen war Wilhelm Heidn am 14. Mai 1881 an den Folgen einer Erkältung gestorben. Seine Witwe heiratete in zweiter Ehe den Gutsinspektor Albert Schulz, der aus Lanz Krs. Lauenburg stammte. Von ihm erbte das vierte lebende Kind von Wilhelm Heidn, der am 30. September 1876 geborene Leopold Hermann Karl, die Hälfte des Grundstücks. Er war verheiratet mit Minna Voß aus Gowidlino. Nach der Abtretung Westpreußens an Polen verzog er nach Kroßnow. Er soll 1945 auf der Flucht aus Pommern in Neufahrwasser umgekommen sein. Emil August Albert, geboren 18. Dezember 1879, war Krankenpfleger in der Heilanstalt Stralsund; über ihn ist mir weiter nichts bekannt. Der Ehe der Witwe mit Schulz entsprossen dann noch zwei Kinder, Paul und Anna. Paul erbte die andere Hälfte des Grundstücks; er verzog nach 1920 nach Damerkow, Krs. Bütow. Anna heiratete einen Briefträger Schwarz, der früh verstarb. Als Witwe lebte Anna in Bütow. Schulz starb, über 90 Jahre alt, in Damerkow. Seine Frau war bald nach der Abtretung Westpreußens in Kamionken verstorben. Sie wurde auf dem an sich nicht zuständigen ev. Friedhof in Gowidlino beerdigt. Wegen der neuen Grenzverhältnisse konnte die Beerdigung auf dem zuständigen Friedhof in Buchwalde nicht erfolgen.

Mein Onkel Ferdinand hatte sich am 25. Februar 1870 mit Adeline Bertha Maria Albrecht, der Tochter des verstorbenen Invaliden Christian Albrecht aus Budow, Krs. Stolp, verheiratet. Er hatte von meinem Vater ein Stück Land gepachtet, das er mit seiner Frau bewirtschaftete, wobei die eigentliche Bestellung (Pflügen etc.) von meinem Vater durchgeführt wurde. Von der Ausübung des Schneiderhandwerkes habe ich bei meinem Onkel nichts bemerkt. Das Ehepaar hatte drei Kinder, von denen eine Tochter, Amanda Emilie, schon nach einem Monat verstarb. Der Sohn, Leo August Franz, wurde am 26. Januar 1871 geboren. Er war Pfleger in der Provinzialheilanstalt in Lauenburg. Später ist er nach dem Westen verzogen. Wenn ich mich recht erinnere hat er seinen Wohnsitz in Alsfeld (Niedersachsen) gehabt. Die Tochter, Hulda Auguste Dorothea, wurde am 12. Januar 1874 geboren. Sie heiratete einen Schuhmachermeister in Lauenburg. Soviel ich mich erinnere, hat ihre Mutter als Witwe bei ihr gelebt. Der Onkel Ferdinand starb am 5. Februar 1897 im Alter von 57 Jahren.

Meine Tante Konradine heiratete am 3. Mai 1867 den Hofbesitzer Friedrich Wilhelm Schnaase in Drosdowo, Abbau-Gowidlino. Soweit mir bekannt ist, wurden in dieser Ehe drei Söhne geboren, Karl, Emil und Reinhold. Karl ist später Sekretär bei der Senatsverwaltung des Freistaates Danzig gewesen. Emil war Bahnbeamter und wohnte in Lappin, Krs. Karthaus, und Reinhold übernahm den väterlichen Hof. Konradine Heidn ist bald gestorben, und der Witwer Schnaase heiratete wieder. Über die weiteren Familienverhältnisse bin ich nicht orientiert.

Meine Tante Maria heiratete den Bruder meiner Mutter Karl August Magsig, Hofbesitzer in Groß-Rakitt, am 31. Mai 1872. Der Ehe entsprossen 7 Kinder: Gustav, Ida, Amanda, Bertha, Karl, Maria und Martha. Gustav erbte den Hof in Groß-Rakitt, den er vor oder während des ersten Weltkrieges verkaufte. Er erwarb ein anderes Grundstück an der Straße nach Damerkow; hier starb er während des ersten Weltkrieges. Ida heiratete einen Bäcker und Kolonialwarenhändler Heinrich, der eine Bäckerei im Nachbarhause hatte. Er verkaufte seinen Besitz und zog weiter ins Innere Pommerns. Amanda war mit einem Bahnbeamten Krüger in Damerkow, Krs. Stolp, verheiratet. Bertha Augusta Johanna wurde am 17. Dezember 1880 in Groß-Rakitt geboren. Sie heiratete am 1. Februar 1907 meinen Bruder Rudolf, der die Hälfte des Grundstücks in Kamionken von meinem Vater geerbt hatte. Sie bezogen das Wohnhaus meines Vaters. Meine Schwägerin Bertha ist am 1. Mai 1964 in Göttingen, wo sie bei ihrem Sohn Fritz wohnte, gestorben. Karl erlernte das Schneiderhandwerk und hat dann in Damerkow gewohnt. Maria heiratet, einen Schneidermeister in Kattschow, Krs. Lauenburg; sie ist jung gestorben. Martha, die längere Zeit im Hause meines Bruders Rudolf in Kamionken lebte, hat sich, wie ich gehört habe, nach Stolp verheiratet. Auch sie soll vor kurzer Zeit verstorben sein. Die Eltern Magsig zogen nach dem Verkauf des Grundstückes in Groß-Rakitt nach Kamionken zu Tochter und Schwiegersohn. Hier starb meine Tante Maria am 9. April 1919. Auch mein Onkel Karl ist kurze Zeit darauf in Kamionken verstorben.

Mein Vater August Heidn war mit 27 Jahren Grundbesitzer geworden und hatte ein neues Haus, aber immer noch keine Frau, und er brauchte doch dringend eine Frau für die Arbeit in Haus und Garten, die wohl irgendwelchen mehr oder weniger zuverlässigen Dienstboten anvertraut war. Von meiner Mutter ist mir erzählt worden, wie es zu Brautwerbung, Brautstand und Hochzeit kam. Mein Vater stand an einem Samstag nachmittags an seinem Hause, als der ihm bekannte Besitzer Srock aus Lehmanni (Ortsteil von Gowidlino), der wohl etwas jünger als er selbst war, vorbei kam. Scherzhaft fragte ihn mein Vater, ob er nicht eine Frau für ihn wüßte. Das ließe sich machen, wurde ihm entgegnet; er habe noch eine unverheiratete Schwester (eigentlich Stiefschwester) zu Hause in Wundichow, Krs. Stolp. Er sei jetzt auf dem Wege dahin. Er könne ja nächstens zur Brautschau mitkommen. Das hat mein Vater denn auch getan, wobei zu bedenken ist, daß der ca. 25 - 30 km lange Weg zu Fuß zurückgelegt wurde. Es ist dann zum Verlöbnis und zur Hochzeit gekommen. Mein Vater wurde am 18. Mai 1866 mit Emilie Magsig, der Tochter des Eigentümers Franz Wilhelm Magsig, in der Kirche zu Budow, Krs. Stolp getraut.

Nun zunächst einiges über die Familie meiner Mutter. Vor 1845 verstarb in Pempau, Krs. Karthaus der Ökonomieinspektor Srock und hinterließ die Witwe und ein Söhnchen Ludwig. Die Witwe Louise, geb. Sylvester, Tochter des Schmiedemeisters Sylvester in Zewitz, Krs. Lauenburg, heiratete in zweiter Ehe den Eigentümer Wilhelm Magdsick in Zewitz. Beide wurden meine Großeltern mütterlicherseits. Wie die Großmutter später meiner Mutter erzählt hat, ist die Ehe in sehr ärmlichen Verhältnissen begonnen worden, worüber ich mich eigentlich wundere; denn an sich müßte die Witwe eines Gutsinspektors doch schon einiges besitzen. Die Verhältnisse müssen sich aber bald gebessert haben; denn der Großvater erwarb ein Besitztum in Klein-Wunneschin, Krs. Lauenburg, wo meine Mutter am 6. September 1846 geboren wurde. Mein Großvater hat dieses Grundstück aber bald wieder verkauft; denn ihre Jugend hat meine Mutter in Wundichow, Krs. Stolp, verlebt, wo mein Großvater wieder eine eigene Besitzung hatte. In Wundichow ging meine Mutter beim “alten Thomas” zur Schule. Die einzigen Lehrbücher in dieser Schule waren Fibel, Bibel und Katechismus. Dem “alten Thomas” gefiel es aus irgendeinem Grunde, den Familiennamen meiner Mutter in Magsig (statt Magdsick) umzuwandeln, so daß auch die Schreibweise ihres Geburtsnamens nicht die ursprüngliche ist. Die Familie hat die Schreibweise übernommen, die der Lehrer für richtig hielt. Die Eltern meiner Mutter sind nicht in Wundichow geblieben; sie haben auch dieses Grundstück verkauft und ein anderes in Groß-Rakitt gekauft. Dieses Grundstück hat mein Onkel Karl, der Bruder meiner Mutter, geerbt.

Jetzt möchte ich noch eine Vermutung anstellen, wie der Stiefbruder meiner Mutter, Ludwig Srock (bzw. Schrock) nach Lehmanni kam.

Die Mutter meiner Großmutter, die Frau des Schmiedemeisters Jacob Ludwig Sylvester aus Zewitz, hieß Louise Rieter und war katholisch. Ich nehme an, daß Rieter die plattdeutsche Form des Namens Reiter ist, und die katholischen, später kaschubisierten Reiter waren im Kreise Karthaus zahlreich vertreten und wohnten auch in Lehmanni. So wird Ludwig Schrock wohl auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen nach Lehmanni gekommen sein. Ich glaube, daß diese Vermutung begründet ist.

Meine Mutter war noch nicht 20 Jahre alt, als sie nach Kamionken übersiedelte. Ich glaube, daß sie es anfangs ziemlich schwer gehabt hat bei der dort eingerissenen Dienstbotenwirtschaft. Zudem hatte mein Vater es sich angewöhnt, in der Unterhaltung mit kaschubischen Dienstboten die kaschubische Sprache zu gebrauchen. Meine Mutter, die von dieser Sprache keine Ahnung hatte, hat veranlaßt, daß im Verkehr mit den Dienstboten nur deutsch gesprochen wurde. Was das Äußere meines Vaters anbetrifft, so hat sie auch das geändert. Er ging glattrasiert; meine Mutter aber schwärmte für Bartwuchs bei ihrem Eheliebsten. Sie hat meinen Vater veranlaßt, Schnurr- und Vollbart stehen zu lassen, so daß er noch 55 Jahre bärtig durchs Leben gegangen ist. Gleich in seinen ersten Jahren als Grundbesitzer hat mein Vater Ärger mit dem Forstfiskus gehabt, der behauptete, daß der Kamionker See, soweit er im Kreise Karthaus lag, ihm gehöre; denn im Annehmungsbrief für Thomas Zielke sei der See nicht erwähnt, und im Dorfprotokoll vom 31. August 1789 stehe, daß der See zum Amte gehöre. Sowohl das Kreisgericht in Karthaus als auch das Appelationsgericht in Marienwerder lehnten 1872 die Ansprüche des Fiskus ab, und seitdem blieb die Familie im ungestörten Besitz des Sees. Die Kultivierungsarbeiten wurden erst jetzt in Kamionken richtig betrieben, Bruchwälder wurden gerodet und in mehr oder weniger fruchtbare Wiesen umgewandelt, so daß der Heuertrag stieg und mehr Vieh gehalten werden konnte. Ich glaube, nicht fehl zu gehen, wenn ich die Heumenge, die 1789 in Kamionken nur drei kleine Fuder betrug, auf ca. 50 Fuder um die Jahrhundertwende ansetze. Ich besinne mich, daß in meiner Jugend versucht wurde, auch das “Mißbrauk” zu kultivieren. Längs- und Quergräben wurden ausgeworfen. An der Bawerndorfer Gemarkung wurde ein Grenzgraben gezogen. Erde wurde auf eines der abgeteilten Stücke gefahren und so die Oberfläche des Schwingmoores beträchtlich erhöht. Seradella wurde hineingesät, und in den ersten 2 - 3 Jahren gab es hier eine prachtvolle Ernte. Dann versumpfte dieses Stück Wiese wieder, weil der Abfluß fehlte. Ich weiß, daß man davon gesprochen hat, daß man einen Abfluß zum Kamionker See schaffen müsse; aber die dazwischenliegende Bodenerhebung hätte diese Maßnahme zu kostspielig gemacht, und so unterblieb sie, sehr zum Leidwesen meines Vater und der Familie. Die Dienstbotenwirtschaft hörte auf, als die Kinder heranwuchsen. In der einen zum Grundstück gehörigen Kate wohnte mein schon vorhin erwähnter Onkel Ferdinand. In der andern Kate, an der Straße nach Buchwalde, wohnten Leute, die ein Stück Land gepachtet hatten und in der Ernte, je nach Vereinbarung, meinem Vater bei der Einbringung halfen. In der übrigen Zeit des Jahres gingen Mitglieder dieser Familie zur Arbeit auf die angrenzenden Güter, wobei nach meiner Erinnerung Chosnitz bevorzugt wurde. In meiner Kindheit wohnten hier die Kätnerfamilie Noffz, die später in Klinsch, Krs. Berent, siedelte. Dann kann ich mich noch auf die Familien Sildatk und Sblewski besinnen, die einzigen kaschubischen und katholischen Familien, die während meiner Jugendzeit in Kamionken gewohnt haben. Von den Kindern wurde die Schule in Buchwalde, Krs. Bütow, besucht, wo mein ältester Bruder Ferdinand noch denselben Lehrer gehabt hat wie mein Vater, nämlich den “alten Streitz”. Die anderen Geschwister, die nach Buchwalde zur Schule gingen, haben Koglin als Lehrer gehabt. Um 1890 wurde eine Schule in Borrowilaß eingerichtet und die Kamionker Kinder dort eingeschult. Nach Borrowilaß gingen meine Brüder Paul, Emil und Friedrich und dann ich selbst zur Schule. Der Schulweg betrug ca. 2 km. Die Lehrer auf dieser abgelegenen Stelle wechselten sehr häufig. Meine Lehrer waren Dittberner, Halfpap, Mertens und Krause. Kirchlich wurde Kamionken von der evangelischen Kirche in Jassen betreut. Die Katholiken, die kaum vorhanden waren, zeitweise eine Kätnerfamilie oder ein Dienstbote beim Förster, gingen nach Gowidlino zur Kirche. Die Kinder wurden von frühester Jugend an mit zur Feldarbeit herangezogen, so lange sie klein waren, zum Hüten, dann zum Pflügen, Eggen, Mähen usw. So haben auch meine älteren Geschwister tüchtig bei der Bewirtschaftung der Äcker und Wiesen mitgeholfen. Der Viehstand mehrte sich: 2, zeitweise 3 Pferde, 7 Milchkühe, Kälber, Schweine, Ferkel, ca. 20 Schafe, Gänse, Hühner, Enten, alles wollte betreut werden. Von Verkehr mit der Außenwelt war Kamionken ziemlich abgeschlossen; deshalb mußte fast alles zum Leben Notwendige selbst erwirtschaftet werden. Kolonialwaren wurden aus Groß-Rakitt, seltener aus Gowidlino herangeholt. Die nächste Stadt war Bütow, ca. 3 Meilen entfernt. Bis Lauenburg betrug die Entfernung ca. 4 und bis Karthaus ca. 5 Meilen. Bahnlinien gab es erst seit 1902 von Bütow nach Lauenburg und seit 1904 von Karthaus nach Lauenburg. Die nächste Bahnstation an der Bütow-Lauenburger Strecke (Helenenhof) war 10 km und an der Karthaus-Lauenburger Strecke (Sierakowitz) 16 km entfernt. Die Kunststraße erreichte man in dem 8 km entfernten Gowidlino. Später ist die Straße nach Bütow von Buchwalde aus (3 km Entfernung) chaussiert worden. Arzt und Apotheke gab es erst in dem 16 km entfernten Sierakowitz. Die Post wurde von Gowidlino aus zugestellt. Diese wenigen Angaben zeigen wohl zur Genüge die Verkehrsferne Kamionkens.

In der Ehe meiner Eltern wurden 11 Kinder geboren, 8 Jungen und 3 Mädchen. Der Altersunterschied zwischen dem ältesten (mein Bruder Ferdinand) und dem jüngsten Kinde ( ich selbst) betrug 23 Jahre.
Von den Kindern sind zwei in früher Jugend (Gustav 3 Jahre 3 Monate und Wilhelm 3 Monate alt) verstorben. Friedrich fiel im ersten Weltkrieg in Frankreich am 12. September 1914 im Alter von 27 Jahren. 1904 wurde das Grundstück von meinem Vater geteilt. Der älteste Bruder Ferdinand erhielt von dem nördlichen Teil des Ackerlandes das Stück links von der Straße nach Gowidlino. Er bezog mit seiner Frau zunächst die Kate, in der mein Onkel Ferdinand gewohnt hatte; er baute sich dann ein neues Wohnhaus, Scheune und Stallungen. Rudolf erhielt den südlichen Teil und vom nördlichen das Stück rechts von der Straße nach Gowidlino. Auch die Wiesen, der Wald und der See wurden gleichmäßig aufgeteilt. Rudolf blieb in dem Wohnhause meines Vaters, und mein Vater zog sich als Altsitzer in das Kätnerhaus an der Straße nach Buchwalde zurück. Hier hoffte er, seinen Lebensabend verbringen zu können, und alles ging gut bis zum ersten Weltkrieg. Nach dem unglücklichen Ausgang dieses Krieges wurde der größte Teil Westpreußens, der sogenannte Korridor, an Polen abgetreten. Die Kamionker bemühten sich als Grenzgemeinde, zu Pommern zu kommen, zumal bei der letzten Volkszählung 1910 hier nur deutsche Leute, 44 an der Zahl, gewohnt hatten. Man ging über die berechtigten Wünsche der Kamionker hinweg, und auch dieser deutsche Ort wurde den Polen zugesprochen. Die deutsche Bevölkerung Kamionkens hatte sich schon immer mehr zum deutschen Pommern zugehörig gefühlt als zum slawisch durchsetzten Westpreußen. Verwandtschaftliche, sprachliche und konfessionelle Bindungen wiesen nach Pommern hin.

So wurden die Zelte in Kamionken abgebrochen und die Wohnsitze nach 1920, nach dem Inkrafttreten des Friedensvertrages, nach Pommern verlegt. Vertreter des kaschubischen Kleinadels kauften die einzelnen Grundstücke. Als erster verkaufte, wie schon erwähnt, Gohr in Abbau-Kamionken an v. Daleki aus Borreck. Mein Bruder Ferdinand verkaufte an v. Gruchalla, der in Althütte, Krs. Bütow gewohnt hatte. Rudolf verkaufte an einen v. Daleki. Die beiden Grundstücke, die Wilhelm Heidn, später Schulz besessen hatte, wurden an v. Klapotek und an v. Janta-Lipinski verkauft. Ferdinand verzog nach Bütow, Rudolf nach Wottnogge, Krs. Stolp, später nach Teplitz, Krs. Rummelsburg. Mein Vetter Leopold verlegte seinen Wohnsitz nach Kroßnow und Paul Schulz nach Damerkow, Krs. Bütow. Damit hatte die fast 150jährige Kulturarbeit der Deutschen in Kamionken ihr Ende erreicht, und aus dem rein deutschen Ort war nun ein Dorf mit ganz kaschubischer Bevölkerung geworden. Auch meine Eltern verließen Kamionken und zogen zu meinem Bruder Ferdinand nach Bütow, wo mein Vater am 13. Februar 1923, über 85 Jahre alt, verstarb. Meine Mutter lebte noch 12 Jahre bei ihrer Tochter Amanda in Hygendorf, Krs. Bütow, sie starb am 23. März 1935; sie war zum Zeitpunkt ihres Todes also mehr als 88 Jahre alt. Beide Eltern sind auf dem Friedhof in Bütow beigesetzt worden.

Von den Kindern meiner Eltern waren zwei Landwirte geworden, nämlich Ferdinand, geboren am 4. Juli 1867, gestorben in Celle am 27. Januar 1965, 97 1/2 Jahre alt, und Rudolf, geboren 25. Juli 1874, gestorben in Falkenhain (Erzgebirge) am 12. Juni 1948, fast 74 Jahre alt. Meine Schwester Ida, geboren 22. April 1869, gestorben in Lauenburg am 11. Juni 1943, 74 Jahre alt, war verheiratet mit dem Schmiedemeister Eugen Klebba in Lauenburg. Hertha, geboren 7. April 1871, gestorben in Strausberg (Mark) am 30. März 1943, fast 72 Jahre alt, war verheiratet mit dem Schneidemüller Artur Müller. Stationen ihres Lebens waren Lauenburg, Schneidemühl und Strausberg. Amanda hat den Landwirt Otto Biastoch geheiratet. Sie hatte ihren Wohnsitz in Hygendorf, Krs. Bütow. Sie war geboren am 28. Januar 1876 und lebte nach der Vertreibung aus Pommern in Oberbachem in der Nähe von Bad Godesberg. Sie starb am 22. September 1956 in Bad Godesberg, hat also ein Alter von über 80 Jahren erreicht. Mein Bruder Paul, der am 14. Februar 1881 geboren wurde, war Soldat geworden; dann war er bei der Polizei in Berlin-Lichtenberg tätig und schließlich nach dem ersten Weltkriege bei den Behörden der brandenburgischen Provinzialverwaltung beschäftigt, zunächst in Strausberg, dann in Görden und Brandenburg (Havel) und zuletzt in Berlin-Neukölln. Hier starb er am 13. März 1957, 76 Jahre alt. Mein Bruder Emil, geboren am 8. Oktober 1884, hat eine Kaufmannslehre in Lauenburg durchgemacht und war dann in Berlin als Kaufmann tätig. Nach dem ersten Weltkriege hat er sich nicht mehr in seinem Berufe betätigt, sondern seinen Unterhalt in der Landwirtschaft gesucht und gefunden. Nach der Vertreibung lebte er als Rentner in Lychen in der Uckermark. Er starb am 10. Juni 1972 im Krankenhaus Templin, 87 Jahre alt. Mein Bruder Friedrich, der Schlosser geworden war, fiel, wie schon erwähnt, im ersten Weltkrieg in Frankreich. Ich, Willy Heidn, habe den Lehrerberuf ergriffen und bin seit 1946 Direktor der Realschule Erndtebrück  gewesen bis zu meiner Pensionierung am 31. März 1956. Ich bin verheiratet mit Hildegard Kutschke, Tochter des Lehrers Waldemar Kutschke aus Gowidlino und seiner Ehefrau Hedwig geb. Sietz. 1925 wurde uns in Gelsenkirchen ein Sohn, Ulrich, geboren. Nach abgeschlossener Schulbildung (Abitur 1943) und Arbeitsdienst belegte er als Kriegsstudent Vorlesungen an der Universität Heidelberg. Anfang 1945 mußte er ausrücken. Er kam nach Kurland; dort, bei Warne in der Nähe von Fraudenburg, ist er im April 1945, kurz vor Vollendung seines 20. Lebensjahres als Unteroffizier und Reserve-Offiziers-AnwärterDamit war ein junges Leben erloschen, das noch zu allen Hoffnungen berechtigte. Meine Frau und ich sind allein geblieben und müssen uns damit abfinden. Über mein Leben informiert auch ein Artikel von Stockhausen aus Berleburg, der aus Anlaß der Vollendung meines 75. Lebensjahres in der “Neuen Deutschen Schule” erschienen ist:

“Seine Jugendjahre sind schnell erzählt. Er ist in Steinheide in Westpreußen geboren. Sein Vater war Landwirt, und der Junge wollte Lehrer werden. Also kam er auf das Lehrerseminar in Marienburg und machte dort 1911 seine Lehrerprüfung. Seine erste Stelle war im Kreise Dirschau, nicht sehr lange, dann kam 1914. Nach 40 Monaten Frontdienst kehrte er als Leutnant mit zwei Verwundungen und dem EK 1 zurück. Nach dem Kriege finden wir ihn als Lehrer in Gelsenkirchen und ab 1922 in Dortmund. Er arbeitet und arbeitet, macht die Ergänzungsprüfung für das Universitätsstudium, belegt Mittelschullehrerkurse, macht die Prüfungen für Englisch, Französisch, Latein und ist Mitarbeiter der Westfälischen Schulzeitung.

Schulpolitik, Bildungspolitik, das ist es, was ihn anzieht, und so wird er Mitarbeiter des Weltbundes für Erneuerung der Erziehung, dessen deutsche Sektion von Elisabeth Rotten geleitet wird. Daneben ist er Mitglied der Entschiedenen Schulreformer, die mit Paul Oestreich pädagogisches Neuland erschließen wollen. Wir sprechen heute von den “Goldenen zwanziger Jahren”, von einer Zeit, in der vieles im Umbruch war, manches sich neu formte und in Bewegung geriet; es war sicher keine Zeit der Stagnation. Und dann fiel ein Reif in der Frühlingsnacht; es kam 1933. Unser Freund - er war Hauptlehrer geworden - war in dieser Stellung nicht tragbar, wurde als Lehrer weiterverwendet; jegliche schulpolitische Tätigkeit entfiel.

Das nächste Jahrzehnt ist schmerzlich für ihn; der zweite Weltkrieg kommt, und unter den vielen Millionen Opfern ist auch sein einziger Sohn Ulrich. Da wird er 1944 zur Dienstleistung abgeordnet, in den Kreis Wittgenstein nach Weidenhausen, und er ist dann hier geblieben. Als 1945 die Realschule in Erndtebrück wiedereröffnet wird, übernimmt er die Leitung dieser Schule bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahre 1956.

Aber es ist kein Ausruhen geworden. In unserem Kreisverband der GEW leitete er von 1952 bis 1963 den auf seine Anregung hin gegründeten schulpolitischen Ausschuß, dessen Aufgabengebiet die eingehende Bearbeitung aller schulpolitischen und gewerkschaftlichen Fragen ist. Von 1956 bis 1964 gehört er der Gemeinde- und der Amtsvertretung in Erndtebrück an und ist zwei Jahre Mitglied des Kreistages. Acht Jahre leitet er den Beamtenausschuß des Kreises Wittgenstein im DGB und bemüht sich im Sonnenbergkreis und in den “International Vacation Courses in Scandinavia” um gegenseitiges Kennenlernen und Begegnen der europäischen Völker. Und was nur wenige wissen: Das Johann-Gottfried-Herder-Institut in Marburg veröffentlicht eine Reihe “Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas”, und da erscheint in Kürze ein Werk: “Geschichte des Kreises Karthaus und seiner Ortschaften”. Verfasser des gut 600 Seiten umfassenden Buches ist Willy Heidn. Wir wünschen ihm noch einen schönen, langen Lebensabend.” (Anmerkung des Verfassers: Bei dem oben erwähnten Buch handelt es sich um Nr. 73 der Schriftenreihe. Es heißt: “Die Ortschaften des Kreises Karthaus/Westpr. in der Vergangenheit” und umfaßt 684 Seiten.)

Soweit Herr Stockhausen in Berleburg. Ich bin damit am Ende meiner Familiengeschichte. Im folgenden bringe ich noch als Anlagen Übersichten und Daten der einzelnen Familienzweige aus Vergangenheit und Gegenwart. Im allgemeinen beschränke ich mich auf die direkte Linie; doch bringe ich auch einzelne Nebenzweige, nämlich einen Bruder des Jost Martin Heyden, weil bei ihm die älteste bekannte Urahne gestorben ist; dann bringe ich den Zweig der Familie, der in Gowidlino gewohnt hat, soweit Unterlagen vorhanden sind, und auch die Angaben, soweit sie die Geschwister meines Vaters betreffen. Ich überlasse es nun den Mitgliedern der einzelnen Familienzweige, die Geschichte dieser Familienteile schriftlich festzuhalten und weiter auszubauen.

Willy Heidn

(Es folgen die Stammfolgen)

Noch einige abschließende Bemerkung zum Stammbaum:
...
Ich wollte diese Hinweise noch geben, falls jemand aus der Schar meiner Nichten und Neffen Lust bekommen sollte, die Ahnenforschung weiter fortzusetzen.
 

(Uwe Kerntopf: Die Stammfolgen habe ich komplett erfasst [GEDCOM], Anfragen dazu bitte an mich direkt.)