Bauernland und Gemeindeverfassung im Kreise Lauenburg i. Pom. seit hundert Jahren.

Ein Beitrag zur Geschichte der inneren Kolonisation ( 1 ) von Landrat Kutscher, Lauenburg i. Pom.

(zusammengestellt von Hermann Pigorsch, aufbereitet von Uwe Kerntopf)


   Wenn man die Schicksale des Bauernlandes und die mit ihnen eng verbundene Entwickelung der ländlichen Gemeindeverfassung in einem bestimmten Landesteil vom Beginn des 19. Jahrhunderts an verständnisvoll verfolgen will, wird man sich kurz die Lage der Gesetzgebung vergegenwärtigen müssen, die einen einschneidenden Einfluss auf die Gestaltung der Grundbesitzverteilung ausgeübt hat. ( 2 )

    Vor nunmehr hundert Jahren wurde die Gutsuntertänigkeit der Bauern durch die Pommersche Bauernordnung vom 30. Dezember 1764 auch für die Lande Lauenburg und Bütow ausdrücklich bestätigt, und nach deren stillschweigender Ausserkraftsetzung für diesen Landesteil durch Königliche Verordnung vom 14. Oktober 1773 auf Grund des Preussischen Landrechts von 1721 zu Recht bestehend ( 3 ) durch das Edikt vom 9.Oktober 1807 mit Wirkung vom Martinitage 1810 aufgehoben. Durch das Edikt vom 14. September 1811, betreffend die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse mit der einschränkenden Deklaration vom 29. Mai 1816 erhielten die Inhaber spannfähiger Bauernstellen - unter Ablösung der dem Gutsherrn zu leistenden Dienste durch Rückgabe eines Teiles des ihnen zugewiesenen Landes und Rentenzahlung - das freie Eigentum ihrer Höfe.
Von jetzt ab trat "das Eigentum der Gesamtheit der bäuerlichen Besitzer dem Eigentume des Gutsherrn gegenüber, und damit vollzog sich eine bestimmtere Abgrenzung des Gemeindebezirkes gegenüber dem herrschaftlichen Gute." ( 4 )

   Alle Ortschaften, die vor Emanation des Allgemeinen Landrechts ein Gemeindeleben in Gemässheit des damals hiermit verbundenen Rechtsbegriffes ohne Widerspruch der Aufsichtsbehörde geführt hatten, wurden als Landgemeinden anerkannt; nach Publikation des Landrechts bedurfte es zur Erlangung der Korporationsrechte Königlicher Genehmigung, doch ist ein solcher Fall in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts im Kreise Lauenburg nicht nachzuweisen.

   Die gutsherrliche Landabfindung schied aus dem bäuerlichen Gemeindeverbande aus. Durch die Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 wurde eine mannigfache Verschiebung der Grenzen zwischen dem gutsherrlichen Besitze und der bäuerlichen Dorfgemeinde insofern herbeigeführt, als mit der Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse durch Abschluss der Gemeinheitsteilungsrezesse ohne weiteres auch eine Aenderung der beteiligten Guts- und Gemeindegrenzen eintrat.

   Das Gesetz vom 31. Dezember 1842, das die Fürsorge für die Armen den politischen Gemeinden übertrug, ( 5 ) bestimmte weiter, dass die von Rittergütern abgezweigten Grundstücke, soweit sie vor Publikation des Gesetzes ohne Widerspruch der Beteiligten mit den Gemeinden vereinigt oder als zu ihnen gehörig behandelt wären, bei diesen Gemeinden verbleiben und dass einzelne, bisher kommunalfreie Grundstücke wie Mühlen, Krüge, Schmieden, mit ihnen durch Anordnung der Landespolizeibehörde vereinigt werden sollten.

   Bäuerliche Grundstücke, die in den Besitz des Gutsherrn übergingen, blieben in der Gemeinde steuerpflichtig, wenn sie nicht unter Zustimmung der Staatsaufsichtsbehörde dem Gute einverleibt worden waren.

   Zur Durchführung der Gemeindeordnung vom 11. März 1850 - welche als Frucht der Revolutionsjahre, von theoretischen Gesichtspunkten ausgehend, für Stadt und Land ein einheitliches Gemeinderecht schaffen, die Gutsbezirke mit den ländlichen Ortsgemeinden in kommunaler Beziehung vereinigen, und aus mehreren Gemeinden sog. Samtgemeinden bilden wollte - ist es auf dem platten Lande nicht gekommen, während sie vom 28. August für die Stadt Lauenburg als Gemeindeverfassungsgesetz in Geltung gewesen ist, bis an ihre Stelle die Städteordnung vom 30. Mai 1853 trat. ( 6 )

   Durch Allerhöchsten Erlass vom 19. Juni 1852 war ihre Durchführung bereits sistiert worden; durch Gesetz vom 24. Mai 1853 wurde die Gemeindeordnung vom 11. März 1850 wieder aufgehoben und an ihrer Stelle die früheren Gesetze und Verordnungen über die Landgemeindeverfassung wieder in Kraft gesetzt.

   Diese erfuhren nunmehr eine Ergänzung durch das Gesetz betreffend die Landgemeindeverfassungen in den östlichen Provinzen vom 14. April 1856, welches bestimmte, dass den Bezirk einer ländlichen Gemeinde oder eines selbständigen Gutsbezirkes alle diejenigen Grundstücke bildeten, welche ihm bisher angehört hatten, die Zulegung aller bisher kommunalfreien Grundstücke zu einem Guts- oder Gemeindebezirk oder die Umbildung solcher Bezirke aus ihnen erneut anordnete und die Entstehung neuer Guts- oder Gemeindebezirke ausdrücklich von Königlicher Genehmigung abhängig machte.

   Die zur Durchführung dieses Gesetzes getroffenen Massnahmen konnten sich im Kreise Lauenburg auf Ermittelungen über die kommunale Zugehörigkeit von vier zu Beginn des Jahrhunderts veräusserten Domänenvorwerken: Obliwitz, Neuendorf, Crampe und Roslasin beschränken, deren erste drei von der Regierung als Gutsbezirke anerkannt wurden, während dem Gut Roslasin diese Anerkennung - im Gegensatz zu den bei der Veräusserung von Domänenvorwerken üblichen Rechtsgrundsätzen
verweigert wurde, was in der Folge zu zahllosen Beschwerden und Rechtsstreitigkeiten Anlass gegeben hat.

   Kommunalfreie Grundstücke waren nach Klarstellung dieser Verhältnisse, wie der Landrat am 13. Mai 1871 an die Regierung berichtete, im Kreise Lauenburg nicht mehr vorhanden. ( 7 )

   Wenn sich somit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine klare Scheidung zwischen dem kommunalen Bestande der Landgemeinden und Gutsbezirke vollzogen hatte, so waren damit die aus der gutsherrlichen Gewalt hervorgegangenen obrigkeitlichen und Aufsichtsbefugnisse der Gutsherrschaft gegenüber der Landgemeinde noch keineswegs beseitigt.

Der Schulze wurde, ( 8 ) soweit nicht das Schulzenamt mit dem Besitze eines bestimmten Gutes (Erb-, Lehns-, oder Freischulzenhofes) verbunden war, oder auf Grund besonderer Rechtsnormen oder Observanzen eine abweichende Ortsverfassung sich erhalten hatte, von der Gutsherrschaft - in den Amtsdörfern vom Domänen-Rentamt - als gutsherrlicher Obrigkeit nach Anhörung der Gemeinden aus der Zahl der angesessenen Gemeindemitglieder ernannt, "solange es an einer mit den erforderlichen Eigenschaften versehenen Person nicht ermangelte", und vom Landrat bestätigt; ebenso die Schöffen. Der Erwerb und die Veräusserung von
Grundeigentum durch die Gemeinde bedurfte der Genehmigung der gutsherrlichen Ortsobrigkeit, welche die unmittelbare Aufsicht über die Gemeinden unter Leitung und Kontrolle des Landrats zu führen hatte, dem die Disziplinargewalt über die Gemeindebeamten vorbehalten blieb.

   Die Verwaltung der Ortspolizei war den Gutsherren verblieben; sie wurde von ihnen durch das Gesetz vom 14. April 1856 ( 9 ) betreffend die ländlichen Ortsobrigkeiten ausdrücklich bestätigt.

   Zweifel über die Zuständigkeit der Ortsobrigkeiten ergaben sich hiernach im Kreise Lauenburg nur in einigen Gutsbezirken, die aus mehreren Anteilen bestanden. ( 10 )

   Sie wurden alsbald behoben; schon im Jahre 1858 erkannte die Königliche Regierung, Abteilung des Innern, ausdrücklich an, ( 11 ) dass die Angelegenheit vollständig erledigt sei.

   Eine grundlegende Aenderung in der rechtlichen Stellung der Landgemeinden trat mit der Reform der Preussischen Verwaltungsorganisation durch den Ausbau der Selbstverwaltung nach Gründung des Deutschen Reiches ein.

   Die am 1. Januar 1871 in Kraft tretende Kreisordnung gab der Gesamtheit der Landgemeinden eine Vertretung im Kreistage, durch welche sie, nach dem damaligen Verhältnisse von Flächeninhalt, Bevölkerungsziffer und Steuerkraft gerechnet, in unserem Kreise gegenüber den Gutsbezirken erheblich bevorzugt wurden. ( 12 )

   Sie löste zugleich das Band, dass die Gemeinde aus der geschichtlichen Entwickelung hieraus noch an den Gutsbesitzer fesselte, durch Aufhebung der mit dem Besitze der Rittergüter verbundenen obrigkeitlichen Befugnisse, der gutsherrlichen Polizeigewalt und des Aufsichtsrechtes über die Landgemeinden. Sie beseitigte auch die mit dem Besitze bestimmter Grundstücke verbundene Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamtes, gab den Gemeinden das Recht, ihre Vorsteher und Schöffen vorbehaltlich der Bestätigung durch den Landrat selbst zu wählen und legte die Gemeindeaufsicht in die Hand des Kreisausschusses.

   Die Verwaltungsgesetze des folgenden Jahrzehntes brachten mannigfache Aenderungen der Gemeindeverfassung, die eine abschliessende Zusammenfassung in der heute geltenden Landgemeindeordnung vom 3.Juli 1891 fanden, welche einerseits den Grundsatz des Selbstverwaltungsrechtes der Landgemeinde zur vollen Durchführung brachte, andererseits der Staatsaufsichtsbehörde die Möglichkeit gab, leistungsunfähige oder wegen Zersplitterung und Gemengelage ihren Aufgaben nicht entsprechende kommunale Gebilde unter Mitwirkung der höheren Selbstverwaltungsbehörden auch ohne Zustimmung der Beteiligten zweckmässig umzugestalten. ( 13 )

   Von der schon durch die Landgemeindeordnung gegebenen, neuerdings auf breitere Grundlage gestellten Möglichkeit, ( 14 ) benachbarte Landgemeinden und Gutsbezirke zur Wahrnehmung einzelner kommunaler Angelegenheiten zu Zweckverbänden zu vereinigen, ist im Kreise Lauenburg bisher kein Gebrauch gemacht worden. In jüngster Zeit hat das Volksschulunterhaltungsgesetz - unter Aufhebung der den Gutsherrschaften bisher nach dem Allgemeinen Landrecht obliegenden Verpflichtungen zu Bauleistungen und der ihnen gewährten Befreiung von der laufenden Schulunterhaltungslast - die zu einer Volksschule gewiesenen Landgemeinden und Gutsbezirke zu Gesamtschulverbänden unter dem Vorsitze eines Verbandsvorstehers vereinigt.

   Als Ueberbleibsel einer veralteten Gesetzgebung besteht noch heute - soweit durch Rezesse und Observanzen nichts anderes bestimmt ist - das Wegereglement im Herzogtum Pommern und den Herrschaften Lauenburg und Bütow vom 25. Juni 1752 zu Recht, nach welchem die Wege "von denen in brauchbaren Stand gesetzt und darin erhalten werden müssen, auf deren Feldfluren solche belegen sind", d. h. nach der Judikatur des Oberverwaltungsgerichtes von den einzelnen Eigentümern des von den Grenzen der gutsherrlichen und bäuerlichen Feldmark eingeschlossenen Territoriums.

   Diese Vorschrift ist eine Quelle unerquicklicher Streitigkeiten, und da auch die Rezesse vielfach unklare und einseitig belastende Vorschriften über die Wegeunterhaltung getroffen haben, ist ihre baldige Ersetzung durch eine auf kommunaler Rechtsgrundlage beruhende Wegeordnung dringend erwünscht.

   Die Preussische Agrargesetzgebung der Jahre 1807 bis 1821, der Beförderung der Landkultur und der Schaffung eines selbständigen Bauern- und Kleinbesitzerstandes zu dienen bestimmt, ( 15 ) trug den Keim des Misserfolges dadurch in sich, dass sie mit dem Prinzip der freien Veräusserung und Teilbarkeit des Grundbesitzes von den bewährten Grundsätzen fridericianischer Kolonisationspolitik sich abkehrte, wie sie das Allgemeine Landrecht in den Vorschriften über die Besetzung der Bauernnahrungen durch die Gutsherrschaft (§ 14-16 A. L. R. II. 17) noch gewahrt hatte.

   Der unbefangene Beobachter wird den Rückgang des bäuerlichen Besitzes, wie er in der Folgezeit auch in unserem Kreise lebhaft in die Erscheinung tritt, nicht allein darauf zurückführen dürfen, dass durch die gutsherrliche Landabfindung der Betrieb der Bauernwirtschaft zu klein und deshalb unrentabel geworden wäre; auch nicht allein auf das Arrondierungsbedürfnis des angrenzenden Grossgrundbesitzes, dessen Befriedigung nun durch keine gesetzliche Schranken mehr gehemmt wurde.

   Unmittelbar nach den grossen Kriegen war seine wirtschaftliche Lage nicht derart, dass er dafür erhebliche Aufwendungen hätte machen können. Es mussten mehrere ungünstige Faktoren zusammen kommen, um den beklagenswerten Rückgang des selbständigen Kleingrundbesitzes zu beschleunigen. Die traurige Lage der Landwirtschaft nach den Freiheitskriegen drückte den kleinen Mann um so schwerer,als ihm die Kenntnis technischer Fortschritte, die auch in den Kreisen des Grossgrundbesitzes nur sehr langsam Eingang fanden, zunächst vorenthalten blieb.

   Der Bildungsstand in unserem Kreise war damals auf dem platten Lande noch sehr gering, von geistigem Streben und Regsamkeit wenig zu spüren, die Möglichkeit, auch in dieser Richtung fördernd zu wirken, für die Geistlichen, die damals vielfach selbst die Landwirtschaft betrieben, bei dem grossen Umfange der Kirchspiele und dem schlechten Zustande der Verkehrswege sehr beschränkt.

   Es mutet uns heute seltsam an, wenn wir im Jahre 1817 das landrätliche Officium der Königlichen Regierung berichten hören: ( 16 )
"Die grösste Zahl der vorhandenen Schulzen ist ganz unerfahren im Schreiben und oftmalen auch im Lesen; hierzu kommt, dass in einem grossen Teil des Kreises alles, selbst die Schulzen, ganz polnisch sind, ( 17 ) und der beabsichtigte Zweck ihrer Anstellung aus beiden Ursachen grösstenteils also verloren gehen würde",
die Königliche Regierung am 15. Oktober 1817 darauf repliziert, dass es nicht nur wünschenswert, sondern (§ 51 A. L. R. II. 7) sogar gesetzlich sei, dass die Dorfschulzen wenigstens notdürftig des Lesens und Schreibens kundig seien, dass indessen da, wo die Einwohner einzelner Gegenden noch auf einer zu tiefen Stufe der Geistesbildung stehen, um dergleichen Subjekte darin aufzufinden, man auf dieser Bedingung nicht mit Strenge werde bestehen können, ( 18 ) und ferner der Landrat von Weyher sich in einem "Circulair an sämtliche Herren Gutsbesitzer oder deren Administratoren und Arrendatoren in den adligen Ortschaften des Lauenburg und Bütow‘schen Kreises vom 21. November 1819" gegen die noch in einigen Orten des Kreises herrschende üble Gewohnheit wendet, dass das Schulzenamt in der Reihe herumgeht, und, wo dies noch der Fall sei, von den Gutsherren die Ernennung eines so viel als möglich wohl qualifizierten Subjektes aus den angesessenen Mitgliedern der Dorfgemeinde zum Schulzen verlangt.

   Die von der Regierung damals ausgesprochene Erwartung, dass die Vervollkommnung des Schulwesens die mangelnde Qualifikation der Dorfschulzen bald beseitigen werde, scheint nicht überall in Erfüllung gegangen zu sein; noch zu Anfang der 60er Jahre führte das Königliche Kreisgericht in Bütow lebhafte Klage über die unzureichende Wahrnehmung ihrer Funktionen als Organ der Ortspolizei und mangelnde Energie bei der Ausübung ihres Amtes.

   Es darf hiernach nicht wundernehmen, dass bei drückender wirtschaftlicher Lage der kleine Grundbesitzer oft der Versuchung unterlag, seinen Hof dem grossen Nachbarn zu verkaufen, sobald ihm ein nur einigermassen vorteilhafter Preis geboten wurde. Ein ziffernmässiger Nachweis stösst auf grosse Schwierigkeiten, weil der Flächeninhalt der bäuerlichen Dorfgemeinde zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den meisten Fällen nicht genau feststeht.

   Die Tatsache, dass auch in unserem Kreise ein grosser Teil des nach der Regulierung den Bauern verbliebenen Besitzes ihnen verloren gegangen ist, wird am treffendsten dadurch erhärtet, dass im Jahre 1879 sieben Landgemeinden - Schwartow, Gross-Wunneschin, Küssow, Gross-Boschpol, Stresow, Sterbenin, Chottschewke - mit den gleichnamigen Gutsbezirken vereinigt wurden, weil deren Besitzer die sämtlichen bäuerlichen Grundstücke erworben, die Kulturflächen mit den Gutskulturflächen vereinigt und die Gebäude, soweit sie erhalten geblieben waren, mit Mietern besetzt hatten, die als Tagelöhner oder Deputanten mit kontraktlichem Verhältnisse zum Gute standen.

   Gleichzeitig wurden Ermittelungen wegen der Auflösung von zehn weiteren Landgemeinden, die nur noch aus drei oder wenigen Bauernhöfen bestanden, ( 19 ) eingeleitet, aber vorläufig nicht zum Abschluss gebracht.

   Ihre Auflösung erfolgte erst, nachdem die Landgemeindeordnung in Kraft getreten war, und zwar wurden die Landgemeinden Freest (1893), Gnewinke (95), Nesnachow, Zdrewen, Vitröse (97), Scharschow (98), Prebendow (99) mit den gleichnamigen Gutsbezirken, Sollnitz (1893) mit der Nachbargemeinde Hohenfelde und Jatzkow 1910 mit der inzwischen gebildeten Rentengutsgemeinde Kerschkow vereinigt.

   Die rückläufige Bewegung im Stande des bäuerlichen Besitzes dauert bis zur Mitte der siebziger Jahre; betroffen wurden von ihr - wie schon aus den genannten Namen sich ergibt - in erster Linie solche Gemeinden, deren Lebensfähigkeit von vornherein durch ihren geringen Umfang in Frage gestellt war, in denen sich auch diesem Grunde ein selbständiges und heimatsbewusstes Gemeindeleben nicht hatte entwickeln können.

   Für die Gestaltung der Besitzverteilung im Kreise muss es als ein Glück bezeichnet werden, dass neben ihnen leistungsfähige Gemeinden mit einem von altersher sesshaften Bauernstande vorhanden gewesen sind.

   Die ehemaligen Amtsdörfer,  ( 20 ) deren Gemarkung mit der gutsherrlichbäuerlichen Regulierung reines Bauernland geworden war, boten von vornherein Aussicht auf eine gedeihliche Entwickelung des Gemeindelebens.

   Wenn auch die alten Vollbauernhöfe im Laufe des 19. Jahrhunderts vielfach durch Erbteilung und Parzellierung in mehrere Wirtschaften zerschlagen wurden, so blieb doch diesen Ortschaften der rein bäuerliche Charakter gewahrt, und ihrem Bestehen ist es in erster Linie zu danken, dass in unserem Kreise der bäuerliche Besitz nicht, wie in anderen Teilen der Provinz, von der Landkarte verschwunden ist.

   Sie bilden denn auch heute noch den festen Kern unseres Bauernstandes, der seit dem Einsetzen der preussischen Rentengutsgesetzgebung eine Regeneration erfahren sollte, die der bisher geschilderten Entwickelung direkt entgegengesetzte Ergebnisse gezeitigt hat.

   Wenn seit Anfang der 80er Jahre der Uebergang bäuerlichen Eigentums an Grossgrundbesitzer immer seltener, ( 21 ) der umgekehrte Vorgang immer häufiger wird, so haben wiederum verschiedene Umstände entscheidend mitgesprochen. Zunächst die Tatsache, dass das Arrondierungsbedürfnis des Grossgrundbesitzes in vielen Fällen durch völlige, oder grösstmögliche Angliederung der vorhandenen Bauernhöfe seine Befriedigung gefunden hatte; sodann aber die schwere Krise, in welche das landwirtschaftliche Gewerbe bald nach dem siegreichen Kriege gezogen wurde, so dass Mittel zur Erweiterung des Besitzes umsomehr fehlten, als die Umgestaltung der Grossbetriebe zu immer intensiverer Wirtschaftsweise die Verwendung aller verfügbaren Mittel zu wirtschaftlichen Investitionen und Meliorationszwecken erforderlich machte, endlich der immer fühlbarer werdende Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern, der zur Heranziehung fremdländischer Wanderarbeiter in grösserem Umfange
nötigte, und manchem Grossgrundbesitzer die Erweiterung und schliesslich die Fortführung der Wirtschaft verleidet hat.

   Mit den wirtschaft1ichen Schwierigkeiten stieg die Mobilisierung des Grossgrundbesitzes; der gewerbsmässige Güterschlächter zog in den Kreis ein, trieb das schlagbare Holz ab, verkaufte den devastierten Besitz mit grösserem Vorteil, als ihm sonst möglich gewesen wäre, an einzelne Parzellenerwerber und wurde so - sehr wider seinen und der Behörden Willen - der unbewusste Pionier der inneren Kolonisation.

   Die letzte Kommunalbezirksveränderung vor dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnnng - die im Jahre 1890 erfolgte Vereinigung der an 28 Parzellenerwerber aufgeteilten Gutsbezirke Hammer und Rybienke zu einer Landgemeinde R y b i e n k e - bedeutet einen Wendepunkt in der Entwickelung der Grundbesitzverteilung unseres Kreises.

   Ihr folgten weitere Aufteilungen von Gutsländereien in S c h ö n e h r - ohne dass vorläufig eine Vereinigung der vom Restgute abgezweigten Parzellen mit der Gemeinde stattgefunden hätte - , in K a r o l i n e n t h a l, ebenfalls ohne Abtrennung vom Gutsbezirk, in S a s s i n, ( 22 ) wo einschliesslich des Restgutes 27 Besitzungen - die Käufer waren zum grossen Teil vorher schon Kleinpächter - gebildet und ein erheblicher Teil des Gutslandes an Eigentümer in der Gemeinde verkauft wurde, in K o p p a l i n ( 23 ) wo ähnliche Verhältnisse vorlagen und das bei der Aufteilung verbliebene Restgut mit der Gemeinde vereinigt wurde, in P o p p o w, wo das Gut Poppow A in 7 Stellen aufgeteilt und in der Folge der aus den Gütern Poppow ( 24 ) A und B bestehende Gutsbezirk mit der gleichnamigen Gemeinde vereinigt wurde, endlich in L o w i t z. Dieser erst im Jahre 1879 aus den Gütern Ober- und Mittel-Lowitz gebildete Gutsbezirk wurde von seinem letzten Besitzer unter Mitwirkung einer Posener Parzellierungsgesellschaft in einer Grösse von 420 ha an 17 Erwerber aufgeteilt, ( 25 ) die er vorher schon zum Teil als Kleinpächter angesiedelt hatte und die bis auf den Restgutsbesitzer, der später auch an Polen verkaufte, durchweg polnischer Nationalität waren.

   Mit dieser Aufteilung trat zum erstenmal das nationale Element in der Kolonisationsentwickelung unseres Kreises hervor; in Verbindung mit den Missständen, die sich aus der wilden Parzellierung der genannten Gemeinden - die sämtlich ohne jede Ausstattung mit Gemeindeländereien und Dotatianen zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen geblieben waren - hat es wesentlich dazu beigetragen, die Bewegung im staatlichen und nationalen Interesse in geordnete Bahnen zu lenken. Hatte sich bis zum Erlass der Novelle zum Ansiedlungsgesetz vom 10. August 1904 der Einfluss der Rentengutsgesetzgebung und die Mitwirkung der Königlichen Generalkommission bei der Aufteilung des Grundbesitzes auf wenige Grossbauernhöfe ( 26 ) beschränkt, so erschienen nunmehr als Träger der inneren Kolonisation fast gleichzeitig die Landbank und die im Jahre 1902 als gemeinnütziges Unternehmen gegründete Pommersche Ansiedlungsgesellschaft auf dem Plan, um unter Mitwirkung der Königlichen Generalkommission und der Kreisverwaltung die Schaffung leistungsfähiger Landgemeinden und die Besitzfestigung des neugeschaffenen Bauernlandes in deutscher Hand in grösserem Massstabe zu betreiben.

   Die Konkurrenz beider Gesellschaften erhöhte das Angebot; die zunächst durch die Königliche Spezialkommission in Stolp geleiteten Geschäfte nahmen bald einen so erheblichen Umfang an, dass schon im Jahre 1905 eine neue Spezialkommission in Lauenburg begründet wurde, neben welcher die Stolper Spezialkommission auch weiterhin mit der Durchführung einzelner Besiedelungen betraut werden musste.

   Die Rittergüter Krampe, Zinzelitz, Nawitz und Tauenzin wurden zu Aufteilungszwecken von der Landbank, die Rittergüter Gross-Perlin, Klein-Perlin, Gerhardshöhe mit Vorwerk Rosinenhof, Gross-Wunneschin, Osseck, Schönehr, Chotzlow und Vitröse von der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft zu Aufteilungszwecken erworben, ( 27 ) nachdem diese zuerst die Aufteilung von Kerschkow und Klein-Massow unter Mitwirkung der Generalkommission als Bevollmächtigte der letzten Besitzer übernommen hatte.

   Bis zum Ende des Jahres 1910 - also im Laufe von weniger als 10 Jahren, wenn man von wenigen früher gebildeten Rentengütern in Kerschkow und Labehn absieht - sind im Kreise Lauenburg rund 6000 ha Gutsland unter Mitwirkung der Generalkommission im Rentengutsverfahren zur Aufteilung gelangt und insgesamt 369 selbständige bäuerliche Wirtschaften gebildet worden. ( 28 )

   Die Gutsbezirke Krampe, Zinzelitz und Klein-Massow wurden mit den bestehenden gleichnamigen Landgemeinden, die bis dahin als solche ein kümmerliches Dasein gefristet hatten, zu neuen lebensfähigen Kommunalverbänden vereinigt; das gleiche Verfahren ist in Schönehr in Aussicht genommen, wodurch auch die früher vom Gute abgesplitterten Parzellenwirtschaften der Wohltat eines geordneten Gemeindelebens teilhaftig werden. Kerschkow und Nawitz wurden, unter Auflösung der Gutsbezirke, in Landgemeinden umgewandelt.

   In den anderen im Aufteilungsverfahren befindlichen Gütern ist die Gemeindebildung noch nicht beendet. Gross- und Klein-Perlin werden zu einer neuen Landgemeinde Perlin vereinigt, Gerhardshöhe, das durch Zulegung der bisher zum Gutsbezirk Krampkewitz gehörenden Vorwerke Petauhof, Krügershof und Augustenfelde einen Zuwachs erfahren hat, mit Rosinenhof in eine Landgemeinde verwandelt. Osseck und Gross-Wunneschin sollen unter Abzweigung von den an den Forstfiskus abgetretenen Waldflächen, die als Forstgutsbezirke bestehen bleiben, neue selbständige Landgemeinden werden, ebenso Tauenzin, wo eine Abzweigung der bisher in kommunaler Hinsicht zum Gutsbezirk gehörenden Vorwerke Gossentin und Karlkow als selbständige Gutsbezirke in Aussicht genommen ist.

   Die am Lebatal gelegenen Rittergüter Chotzlow und Vitröse, die mit einem Moorbesitz von über 2000 Morgen der Kolonisation besonders interessante Aufgaben stellen, werden voraussichtlich zu einem einheitlichen Kommunalverbande vereinigt werden.

   Die Erkenntnis von der volkswirtschaftlich und nationalen Bedeutung einer planmässig geleiteten inneren Kolonisation hatte inzwischen auch bei der Kreisverwaltung immer mehr Eingang gefunden; die private Güterschlächterei hatte wirtschaftliche und nationale Gefahren gezeitigt, denen entgegengetreten werden musste.

   So fiel die Anregung des auf die Förderung der Kolonisation im Bezirk Köslin bedachten Regierungspräsidenten Grafen von Schwerin, die Kreise möchten der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft als Mitglieder beitreten, hier auf fruchtbaren Boden; der Kreis trat der Gesellschaft im Jahre 1906 mit 4 Geschäftsanteilen bei und war der erste, der sich zur Bereitstellung weiterer Mittel erbot, als die Besiedelungstätigkeit der Gesellschaft wegen ihres unzureichenden Betriebskapitals ins Stocken zu geraten drohte. Durch Beschluss vom 31. März 1909 ermächtigte der Kreistag einstimmig den Kreisausschuss,die Beteiligung des Kreises an der Pommerschen Ansiedlungsgesellschaft durch Uebernahme weiterer Anteile bis auf 20 000 M. zu erhöhen. Die Begründung der Vorlage bezeichnet die innere Kolonisation an der pommerschen Ostgrenze als erforderlich zur Wahrung des nationalen Besitzstandes; sie betont, dass diese nur auf gemeinnütziger Grundlage in gedeihlicher Weise durchgeführt werden könne, und dass nur ein planmässiges Zusammenwirken der Unternehmerin mit den Behörden der Staats- und Selbstverwaltung ein Gelingen dieses Werkes verbürge, dessen Inangriffnahme auch in anderen Kreisen der Provinz geboten sei, um einer unwirtschaftlichen und ungesunden Güterschlächterei vorzubeugen, dessen Fortführung in den pommerschen Grenzkreisen aber ein Gebot nationaler Selbsterhaltung sei.

   Die Verwirklichung dieser Anforderungen im Laufe der weiteren Entwickelung darf als gesichert gelten, nachdem die Verhandlungen zwischen Staat und Provinz wegen Gründung einer kapitalkräftigen gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft für die Provinz Pommern im Jahre 1910 endlich zum Ziele geführt haben und diese als Pommersche Landgesellschaft mit dem Zwecke der Erhaltung und Stärkung der staatlichen und deutschnationalen Interessen begründet ist.

   Zum Beweise, dass die nationale Bedeutung der Besiedlungsfrage hier die Aufmerksamkeit erfordert, die ihr in jüngster Zeit gewidmet worden ist, sei nur kurz auf die Tatsache verwiesen, dass sich von 1900 bis 1905 die polnisch sprechende Bevölkerung des Kreises, zurzeit etwa 3000 Seelen, d.s.6% der Gesamtbevölkerung,um 23% vermehrt hat, während die Gesamtbevölkerungsziffer im Kreise im gleichen Zeitraum nur um 8,3% gestiegen ist, und dass sich polnische Grundstücksspekulation in jüngster Zeit auch in einigen bisher r e i n deutschen Amtsdörfern geltend gemacht hat.

   Von einem Abschluss in der Umgestaltung der Grundbesitzverhältnisse wird hiernach vorläufig noch nicht die Rede sein können, und tatsächlich deuten alle Anzeichen darauf hin, dass auch für das kommende Jahrzehnt, wenn auch nicht mit einem so gewaltigen Fortschreiten der inneren Kolonisation, wie in den ersten 10 Jahren des 20. Jahrhunderts, so doch mit ihrer stetigen Fortentwickelung und der Umwandlung eines weiteren Teiles des mobilen Grossgrundbesitzes in national gefestigtes Bauernland gerechnet werden muss.

   Zählt man den durch Rentengutsbildung bereits gewonnenen 370 bäuerlichen Wirtschaften mit einem Areal von rund 6000 ha, ( 29 ) die zuvor im Wege freier  Parzellierung von Gutsland gebildeten etwa 100 Wirtschaften mit rund 3000 ha hinzu, so ergibt sich mit unzweifelhafter Sicherheit, dass die Minderung des bäuerlichen Besitzes im Verlaufe der zuerst geschilderten 80jährigen Epoche in verhältnismässig kurzer Zeit nicht nur ausgeglichen, sondern dass gegen den Stand des Bauernlandes von 1816 bereits ein erheblicher Gewinn zu verzeichnen ist, und zwar nicht nur der Zahl nach, sondern auch nach dem Werte für die Gesamtheit gemessen.
Was verloren ging, waren in erster Linie Zwerggemeinden, deren Nutzen für die Gesamtheit gering zu bewerten ist. Die Geschichte unserer Amtsdörfer beweist, dass nur in lebensfähigen Gemeinden der Kleingrundbesitz sich wirtschaftlich vorwärts entwickeln und zu einem sesshaften Bauernstande ausbilden kann. Ehe dies Ziel auch in den neuen Rentengutsgemeinden erreicht sein wird, werden noch Jahrzehnte vergehen, innerhalb deren die Verpflichtung der Ansiedler zur Zahlung einer Rente von
10 bis 18 Mark für den Morgen hohe Anforderungen an die persönliche Tüchtigkeit des einzelnen Wirtes stellt. Die Forderung nach besserer Fortbildung der schulentlassenen Landjugend kann darum gar nicht eindringlich genug erhoben werden. Wenn heute auch nicht mehr die mangelnde Kenntnis der Landbevölkerung im Schreiben und Lesen zu Klagen Anlass bietet - mit dem Rechnen, das auch der moderne Kleinbetrieb erfordert, sieht es oft noch traurig genug aus. ( 30 )

   Die Neuschaffung g r o s s bäuerlichen Besitzes in grösserer Anzahl hat sich in unserem Kreise als unausführbar erwiesen, weil dieser noch mehr als der Grossgrundbesitz unter dem Mangel landwirtschaftlicher Arbeitskräfte leidet. ( 31 ) Die bisherigen Erfahrungen berechtigen aber zu der Hoffnung, dass die Rentengutsbauern, die in der Hauptsache darauf angewiesen sind, ihre Scholle mit den Mitgliedern der eigenen Familie zu bewirtschaften, auch der Aufgabe gewachsen sein werden, sich zu bodenständigen Mitgliedern aufblühender Gemeinwesen zu entwickeln. Sie wird ihnen dadurch erleichtert, dass diese Gemeinden mit Ländereien und Kapitalien ausgestattet sind, deren Nutzung ihnen den Druck der öffentlichen Lasten mindert und den einzelnen an die Interessen der Gesamtheit fesselt, der er so nicht nur als Steuerzahler, sondern auch als Nutzniesser des Gemeindevermögens gegenübersteht.

   In dieser Hinsicht ist die Rentengutsgemeinde der alten bäuerlichen Dorfschaft sogar überlegen. Als Zeichen fortschreitender Erkenntnis von der Wichtigkeit des Landbesitzes für die politische Gemeinde darf nicht unerwähnt bleiben, dass heute schon einige gut geleitete alte Landgemeinden aus eigener Entschliessung verkäufliches Gelände ihrer Feldmark zu Eigentum erwerben, und Gemeindeeinrichtungen wie Armenhäuser und Gemeindeschmieden darauf geschaffen haben - eine Folge vorbildlicher Wirkung der bei den neuen Gemeindebildungen beobachteten Grundsätze.

   Dem Gewinn an Bauernland steht auf der Seite des Grossgrundbesitzes der Verlust einer Kulturfläche von rund 10 000 ha ( 32 ) und die Auflösung von 15 Gutsbezirken gegenüber; dass mit weiteren Verlusten gerechnet werden muss, wurde bereits hervorgehoben. Vergegenwärtigt man sich die Tatsache, dass im 19. Jahrhundert die Fortschritte der landwirtschaftlichen Betriebsweise, die Hebung der Viehzucht, die Vermehrung der Ernteerträge im Kreise Lauenburg ausschliesslich der Führung zu
danken sind, die sachkundige und unternehmungslustige Grossgrundhesitzer in gemeinnütziger Weise übernommen und dem vorbildlichen Beispiel, das sie in ihrer eigenen Wirtschaft gegeben haben, so wird man angesichts der geschilderten und noch im Flusse befindlichen Grundbesitzbewegung vor die Frage gestellt, ob sie sich in den Grenzen hält, die für eine gedeihliche Entwickelung des Kreises in seiner Gesamtheit als erwünscht bezeichnet werden müssen. ( 33 )

   Für die Vergangenheit wird diese Frage unbedenklich bejaht werden können. Missgriffe, die in einzelnen Fällen bei der Auswahl der Besiedlungsobiekte und der Durchführung der Besiedlung auch hier nicht ausgeblieben sind, können ein unbefangenes Urteil über das Gesamtergebnis nicht trüben. Wie in der ersten Epoche dem Rückgange des Kleingrundbesitzes im Kreise hauptsächlich Gemeinden unterlegen sind, die zu schwach organisiert waren, um der Entwickelung eines sesshaften Bauernstandes den nötigen Rückhalt zu bieten, so hat sich bisher die innere Kolonisation im allgemeinen auf Grossbetriebe erstreckt, die als solche nicht mehr lebensfähig waren; sei es, dass der Verkauf zu Aufteilungszwecken auf den unwirtschaftlichen Zustand des Gutes, die Ueberschuldung des Besitzers, oder darauf zurückzuführen war, dass sein letzter Erwerber es nur als eine Ware ansah, mit der er auf dem Gütermarkte Geld verdienen wollte.

   Der Verlust so gestalteten Grossgrundbesitzes ist im öffentlichen Interesse nicht zu beklagen.

   Schon wenige Jahre nach der Aufteilung steht hier die Tatsache fest, dass Staat und Kreis nicht einmal einen Ausfall an Einkommensteuer durch seine Umwandlung in Bauernland erlitten haben.

   Der Wert des Grossgrundbesitzes für die Gesamtheit wird dadurch bedingt, dass er leistungsfähig und bodenständig ist. Das soll nicht dahin verstanden werden, dass nur alteingesessener oder doch durch Generationen in der Familie vererbter Besitz diese Eigenschaften zu entwickeln vermöchte, wenngleich er fraglos die sicherste Grundlage der Bodenständigkeit in der ererbten Liebe zur väterlichen Scholle in sich birgt. Es ist aber dazu erforderlich, dass der Besitzer sein Land nicht als Spekulationsobjekt betrachtet, sondern als die Heimat, die er seinen Kindern zu erhalten als seine Lebensaufgabe betrachtet.

   Nur der b o d e n s t ä n d i g e Grossgrundbesitz kann uns die Männer mit weitem Blick und warmem Verständnis für die wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben des Kreises geben, die wir für seine erfolgreiche Selbstverwaltung wie für die Entwickelung seiner Landwirtschaftsbetriebe zu immer grösserer technischer Vervollkommnung nicht entbehren können.

   Er wird - auch abgesehen von dem fideikommissarisch gebundenen Grundbesitz ( 34 ) - durch das Fortschreiten einer planmässig und im Einvernehmen mit den Organen der Selbstverwaltung des Kreises geleiteten Kolonisation in seinem Bestande nicht gefährdet, und in seiner sozialen Stellung nicht geschwächt sondern gestärkt werden.

   Man wird hiernach der künftigen Entwickelung, die dem Kreise eine weitere Zahl selbständiger bäuerlicher Existenzen zuführen und die Verluste ausgleichen soll, die er durch Abwanderung eines grossen Teiles seiner natürlichen Bevölkerungszunahme noch immer erleidet, ohne die Befürchtung entgegensehen können ( 35 ), dass sie zur Verdrängung des Grossgrundbesitzes führen könnte, dessen Erhaltung hier aus wirtschaftlichen und nationalpolitischen Gesichtspunkten wie aus der geschichtlichen Entwickelung heraus für den Kreis in gleichem Masse als ein Gebot der Selbsterhaltung bezeichnet werden muss, wie die Schaffung eines sesshaften, seinen deutschen Charakter wahrenden Bauernstandes.

   Das richtige Mass wird sich aus dem Angebot von Gutsland zu Aufteilungszwecken ergeben; soweit der Grossgrundbesitz den dargelegten Anforderungen an Leistungsfähigkeit und Bodenständigkeit nicht entspricht, wird seine Umwandlung in deutsches Bauerland - vorausgesetzt dass sich die Feldmark dazu eignet - im öffentlichen Interesse nicht bedauert werden können, sondern als Fortschritt zu begrüssen sein.

   Ein Blick auf die vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 zeigt, dass nur auf dem hier beschrittenen Wege eine wirksame Minderung der Abwanderung vom Lande und damit eine mit dem Bevölkerungszuwachs im Reiche wenigstens einigermassen Schritt haltende Vermehrung der Landbevölkerung möglich ist, die wir zur Erhaltung unserer Wehrhaftigkeit, wie zur Sicherung unserer innerpolitischen Verhältnisse mit allen Mitteln erstreben müssen.

   Von den 27 pommerschen Landkreisen haben seit dem Jahre 1905 bei einer Gesamtzunahme der Bevölkerung im Preussischen Staate von 7.7% zwölf eine Abnahme ihrer ländlichen Bevölkerung von 0,18 bis zu 3,38% hinunter erfahren; in acht Kreisen beträgt die Zunahme der Landbevölkerung weniger als 1 %, in einem Kreise zwischen 1 und 2%, in fünf Kreisen 2 bis 3%, und nur im Kreise Lauenburg erhebt sich die Zunahme der Landbevölkerung - bei einem Gesamtzuwachs von 5,9% im
Kreise - mit 4,72% erheblich über den Provinzialdurchschnitt von 1,91%.

   Diese Zunahme ist im wesentlichen der in den letzten fünf Jahren eingetretenen Vermehrung der bäuerlichen Wirtschaften im Kreise zu danken.


Anmerkungen

( 1 ) Die nachfolgende Darstellung ist aus Vorarbeiten für die in Bearbeitung befindliche Kreisgeschichte hervorgegangen. Der Verfasser hat sich zu ihrer Veröffentlichung an dieser Stelle entschlossen in der Hoffnung, auch bei dem Leserkreise des Archivs für Innere Kolonisation damit Interesse zu finden und der Förderung der inneren Kolonisation in seiner Heimatprovinz einen bescheidenen Dienst erweisen zu können.

( 2 ) Die Darstellung folgt, soweit sie allgemeiner Natur ist, der im Ministerium des Innern ausgearbeiteten Denkschrift:
Die geschichtliche Entwicklung der Landgemeinden und Gutsbezirke in den 7 östlichen Provinzen des Preussischen Staates; Anlage A. zum Entwurf der Landgemeindeordnung. Druckstück des Hauses der Abgeordneten, 17. Legislaturperiode III. Session, 1890/91 zu No. 7. Im übrigen sind als Quelle die Akten des Königlichen Landratsamts und des Kreisausschusses zu Lauenburg i. Pom. benutzt.

( 3 ) Vergl. Cramer, Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow, Seite 344-347. Im Gegensatz zu der von Cramer, und auch in einem Bericht des Landrats vom 16. Mai 1838 vertretenen Auffassung, dass lediglich das Preussische Landrecht von 1721, nicht das allgemeine Landrecht in unseren Landen Anwendung finde, hat die Königliche Regierung in Köslin, Abteilung des Innern, seit ihrem Bestehen (1. August 1816) den Standpunkt vertreten, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Allgemeinen Landrechts insbesondere Teil II Tit. 17 auch für Lauenburg und Bütow massgebend sind, und danach ihe Anordnungen getroffen.

( 4 ) Denkschrift. Anlage A zur L.G.O. S. 6. Vergl. Anm. zu S. 1.

( 5 ) In diesem Gesetz werden zum ersten Male neben den Landgemeinden ausdrücklich die "Gutsbezirke" als Träger öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen aufgeführt.

( 6 ) Verfügung der Königlichen Regierung zu Köslin, Abteilung des Innern, vom 28. August 1851. Amtsblatt Seite 268 und vom 2. Juli 1853. Amtsblatt Seite 213.

( 7 ) Eine Angabe, die sich insofern als ungenau erwiesen hat, als über die kommunale Zugehörigkeit von Krahnshof damals ein Irrtum obgewaltet haben muss; diese Siedlung wurde erst 1876 der Gemeinde Krahnsfelde einverleibt.

( 8 ) Vergl. Zusammenstellung der Bestimmungen und Anleitungen betreffend die Landgemeindeverfassungen in Alt-Pommern und Hinterpommern, vom Ministerium des Innern, Berlin vom 29. Oktober 1855. Decker‘sche Geh. Ober-Hofbuchdruckerei, S. 9 § 24 fg. Diese bestätigt die auf Seite 2 Anmerkung bereits erwähnte Tatsache, dass in öffentlich-rechtlicher Beziehung das Allgemeine Landrecht auch für den Kreis Lauenburg als massgebend zu betrachten ist.

( 9 ) Vergl. Gesetz vom 14. April 1856 betreffend die ländlichen Ortsobrigkeiten, Gesetz-Sammlung Seite 354 § 1 und die dazu erlassene Instruktion des Ministers des Innern vom 30. Juli 1856. Berlin, Decker.

( 10 ) Krampkewitz. Mittel-Lowitz, Zinselitz, Zdrewen und Zelassen.

( 11 ) Verfügung vom 4. März 1858. I No. 1704./2. 58.

( 12 ) Durch das Gesetz betreffend die allgemeine Landesverwaltung vom 30.Juli 1883 ist später die Aufsicht über die Landgemeinden dem Landrat als         Vorsitzenden des Kreisausschusses in erster, dem Regierungspräsidenten in zweiter Instanz übertragen.

( 13 ) Von wesentlicher Bedeutung für die Vermögensverwaltung der Gemeinden sind ausserdem das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 und das         Kreisabgabengesetz vom 23. April 1906 geworden.

( 14 ) Entwurf eines Zweckverbandsgesetzes in der Landtagssession 1910/11.

( 15 ) Vergl. § 1 des Ediktcs zur Beförderung der Landkultur.

( 16 ) Bericht des Landrats von Weyher vom 3. Oktober 1817.

( 17 ) Bezieht sich offenbar in erster Linie auf die Bütow‘er Dorfschaften.

( 18 ) Die Regierung gibt in derselben Verfügung der Erwartung Ausdruck, dass dieser Uebelstand in einer kurzen Reihe von Jahren durch die Verbesserung und grösstmögliche Vervollkommnung des Schulwesens von selbst aufhören werde, insonderheit wenn die Landräte diesem wichtigen Zweige der Administration ebenfalls Tätigkeit und Eifer widmen und auf diese Weise die rastlosen Bemühungen der vorgesetzten Provinzialbehörde kräftig unterstützen.

( 19 ) Nesnachow, Zdrewen, Jatzkow, Sollnitz, Gnewinke, Prebendow, Scharschow, Freest, Vitröse, Rosgars; von ihnen blieb nur die Landgemeinde Rosgars als solche erhalten.

( 20 ) Neuendorf, Garzigar, Freist, Belgard, Labehn, Villkow, Lanz, Reckow, Schweslin, Kattschow, Bresin, Luggewiese, Roslasin, Pusitz, Crampe.

( 21 ) Die nach Einführung der Landgemeindeordnung erfolgte Auflösung der Seite 14 genannten 9 Landgemeinden beweist nicht das Gegenteil; sie zog nur das Fazit aus einer schon früher abgeschlossenen Entwicklung.

( 22 ) Der Gutsbezirk ist durch Allerhöchsten Erlass vom 12. Februar 1906 mit der gleichnamigen Gemeinde vereinigt. Grösse 914,45,70 ha.

( 23 ) Durch Allerhöchsten Erlass vom 13. Januar 1904.

( 24) Durch Allerhöchsten Erlass vom 15. Juli 1907.

( 25 ) Die Aufteilung ist vor Erlass der Novelle zum Ansiedlungsgesetz vom 10.August 1904 erfolgt; die Gemeindebildung erst durch Allerhöchsten Erlass vom 12.Juli 1909. Nur der Auseinandersetzung mit dem Forstfiskus, der die Waldparzelle vom Restgut kaufte, verdankt die Gemeinde eine Dotation von 7000 M.

( 26 ) 1892/93. Aufteilung des Gräfe‘schen Bauerhofes - 109 ha -in Labehn in 3 Wirtschaften, 1903/05 des Sell‘schen Freischulzengutes in Camelow -154 ha - in 10 Rentengüter, und des Salzmann‘schen Grundstückes, in Hohenfelde - 423 ha - ebenfalls in 10 Rentengüter. Die Gemeinden erhielten teils Land, teils Kapitaldotationen, für die Gesamtheit der Rentengutsbesitzer wurden ebenfalls Kapitalien festgelegt. Die im Jahre 1892 unter Vermittelung der Generalkommission begonnene Aufteilung des Rittergutes Kerschkow wurde nicht durchgeführt, das Restgut ohne Gemeindebildung an einen benachbarten Besitzer verkauft, der erst 1903 die Aufteilung durch Vermittelung der Pommerschen Ansiedlungs-Gesellschaft zu Ende führte.

( 27 ) Ausserdem wurde durch Vermittelung der Pommerschen Ansiedlungs-Gesellschaft das Gut Gnewinke II, 53 ha gross, in 2 Rentengüter, die Ackerfläche eines vom Forstfiskus erworbenen ehemaligen Gutsanteils in Schimmerwitz in 3 Rentengüter (50 ha) und ein 127 ha grosses Besitztum in der Gemeinde Gnewin, das sich bereits in den Händen einer polnischen Parzellantenfirma befand, in 9 Rentengüter aufgeteilt. Das Vorwerk Sophienhof in der Stadtfeldmark Lauenburg (36 ha) wurde vom Besitzer unter Vermittelung der Generalkommission in 3 Rentengüter zerlegt. Diese Aufteilungen sind bei der Aufrechnung im Texte der Darstellung mitgerechnet.

( 28 ) Den Gang des Verfahrens schildert am Beispiele der Besiedlung von Gross- und Kleinperlin anschaulich Regierungs-Assessor Hölzerkopf im 37. Bande der Zeitschrift für Landeskulturgesetzgebung. (Auch als Sonderabdruck erschienen bei Paul Parey, Berlin, 1909.) Seine Grundzüge dürfen heute als bekannt vorausgesetzt werden.

( 29 ) Nach Mitteilung der Königlichen Spezialkommissionen in Stolp und Lauenburg genau: 369 Rentengüter mit 5982 ha Gesamtgrösse der aufgeteilten Flächen, ohne Chotzlow und Vitröse.

( 30 ) Die Entwicklung des ländlichen Fortbildungsschulwesens befindet sich im Kreise leider erst in ihren ersten schüchternen Anfängen. Sie ist auch dort, wo geeignete Lehrkräfte zur Verfügung standen, noch auf Widerspruch gestossen. Zurzeit sind im Kreise erst 2 ländliche Fortbildungsschulen - in Schönehr und Roslasin - in Tätigkeit.

( 31 ) Restgüter von etwa 300 Morgen Grösse sind in den meisten Rentengutsgemeinden verblieben.

(32)Unter Einrechnung der zur Aufteilung von der Pommerschen Ansied-
lungs-Gesellschaft erworbenen Güter Chotzlow und Vitröse.

(33) Die Grundbesitzverteilung am 31. Dezember 1910 ist folgende:
 
93 Güter, einschl. Leba-See, KgI. Forst Schweslin, Karlkow und Gossentin mit 
75668,20,27 ha
9 Gutsbezirke im Aufteilungsverfahren, darunter etwa 600 ha forstfiskalische Fläche mit zusammen 
6 411,96,60 ha
63 Landgemeinden mit
33 891,55,97 ha
2 Städte mit 
6 969,87,77 ha
Summa 
122 942,20,61 ha

Da der vierte Teil des Kreises forstwirtschaftlich genutzt wird und die Waldflächen zum grössten Teile auf die Gutsbezirke entfallen, scheint eine gleichmässige Verteilung der l a n d w i r t schaftIich genutzten Fläche auf Gross- und Kleingrundbesitz - wozu auch die städtischen Ackerbürger zu rechnen sind - nicht in weiter Ferne zu liegen.


( 34 ) Die Herrschaften Woedtke (Fideikommissstiftung 1756), Charbrow (1879) und Gross-Jannewitz (1893) mit zusammen 14 Gutsbezirken und 16488 ha Flächeninhalt.

( 35 ) Vergl. Sering. Die Verteilung des Grundbesitzes und die Abwanderung vom Lande. Berlin, P. Parey, 1910. S. 16 und Anl. S. 20 bis 24.
Der Verlust durch Abwanderung hat nach der hier gegebenen Statistik betragen in Prozenten der natürlichen Zunahme, d. h. des Ueberschusses der Geburts- über die Sterbeziffer: 1885/90 - 84,1 %, 90/95 - 78,9%, 95/1900 - 62,8%, 1900/05 - 17,8 %. Die Bevölkerungsdichtigkeit beträgt in den Landgemeinden 49, in den Gutsbezirken 23 Köpfe auf das qkm. für die Jahre 1871 bis 1905 ist die natürliche Zunahme der Bevölkerung im Kreise auf 28 100, die tatsächliche Bevölkerungszunahme auf 7000 Seelen berechnet. Der Kreis hat hiernach in einem Zeitraum von 34 Jahren: 21 100 Seelen durch Abwanderung verloren. Ihre allmähliche Einschränkung ist lediglich der Besiedlung zu danken.


Februar 2001
zusammengestellt von  Hermann Pigorsch (Kreis Lauenburg in Pommern)
aufbereitet von Uwe Kerntopf (Pommern-Westpreußen-Seiten)