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Details zu Groß Rakitt



Siehe auch die Angaben zu  Neurakitt und Klein Rakitt.

Quelle : Einwohnerverzeichnis (1655)

Als Besitzer von Groß und Klein Rakitt sind im Jahre 1655 angegeben:
Bogislav Simon Friedrich von PIRCH, Hans von PIRCH


Quelle : Schmettausche Karten von Pommern um 1780


Quelle : A.v. Livonius : Bevölkerung der Kreise Stolp, Schlawe und Rummelsburg kurz nach 1700

Für Groß und Klein Rakitt sind in diesem Verzeichnis aufgeführt (siehe auch weiter unten bei Pagel):
 

Name Vorname Stand
Bletsch Paul Bauer
Bletsch Steffen Bauer
Chascke Swientek Bauer
Eymer Greger Bauer
Gemeln Jürgen Halbbauer
Gemeln Paul Bauer
Hingt Steffen Halbbauer
Knop Jacob Bauer
Kosch Steffen Bauer
Kusch Jacob Bauer
Kusch Paul jun. Cossäth
Kusch Paul sen. Cossäth
Martzeck Jürgen Halbbauer
Mönchow v. Christian Ernst Besitzer, Geheimbt Raht, Cammer Präs
Pasch Christian Krüger, Halbbauer
Wietzk Swientek Cossäth
 

Quelle : Berthold Schulze, Die Kantone Pommerns 1733-1786, in Baltische Studien, NF Band 38, 1936, Seite 265-316

Das Dorf Groß Rakitt ist aufgeführt mit 11, der Krug mit 1 und das Dorf Klein Rakitt mit 6 Feuerstellen, und dem Infantrieregiment 17, 2. Kompanie zugeteilt.


Quelle : Ortsverzeichnis 1818
 
Name der Ortschaft
Volksmenge
Bezeichnung nach
allgemeinen Verhältnissen
Confession
Pfarrsprengel
  Gr. Rackitt
71
Dorf
lutherisch
Mikrow
  Neuhof
4
Vorwerk
lutherisch
Mikrow
  Philippsruhe
6
Vorwerk
lutherisch
Mikrow
  Wilhelmshof
14
Vorwerk
lutherisch
Mikrow
  Wilhelmsthal
9
Vorwerk
lutherisch
Mikrow
  Holzwärterei
4
Holzwärterei
lutherisch
Mikrow
  Katen
3
Katen
lutherisch
Mikrow
 

Quelle : Dorfschulzen des Stolper Kreises von 1869, Rolf-Detlev Neß auf www.stolp.de

Angegeben ist WITTE.


Quelle : Gemeindelexikon (1871)

Das Dorf Gross Rackitt und das Rittergut Gross Rackitt sind bei der Volkszählung vom 1. Dezember 1871 als Landgemeinde bzw. Gutsbezirk aufgeführt.
 
  Dorf
Gross Rackitt
Rittergut
Gross Rackitt
Wohnplätze
1
6 1
Wohngebäude
32
30
Einzel-Haushaltungen
-
1
Familien-Haushaltungen
48
57
Ortsanwesende Bevölkerung am 1. December 1871 : Bewohner, männliche
132
149
- " -                                                                          : - " -         , weibliche
146
160
- " -                                                                          : - " -         , überhaupt
278
309
- " -                                                                          : - " -         , davon ortsgebürtig
163
143
Ortsanwesende Bevölkerung am 3. December 1867
278
395
Staatsangehörigkeit: Preussen
278
309
- " -                       : Nicht-Preussen
-
-
Religion : Evangelische
272
243
- " -       : Katholiken
3
66
- " -       : Sonstige Christen
-
-
- " -       : Juden
3
-
- " -       : Bekenner anderer Religionen und unbestimmt
-
-
Alter und Schulbildung
 
 
Personen unter 10 Jahr alt
86
72
- " -         über 10 Jahr alt : können lesen und schreiben
157
127
- " -         über 10 Jahr alt : Schulbildung nicht angegeben
2
2
- " -         über 10 Jahr alt : Analphabeten
33
108
Pers. Gebrechen Einzelner : Blinde
1
-
- " -                                   : Taubstumme
-
-
- " -                                   : Blöd- und Irrsinnige
-
-
Ortsabwesende 1871
-
8

1 Wohnplätze Rittergut Gross Rackitt (Wohngebäude - Einwohner)
Rittergut Gross Rackitt (4 - 56); Vorwerke: Johannishof (1 - 7), Neuhof (13 - 145), Hermannshof (1 - 5), Wilhelminenthal (5 - 35), Wildbergshof (6 - 60)


Quelle : Topographisch-Statistisches Handbuch von 1880
 
Ort
Amtsgericht
Landgericht
Oberlandesgericht
Kreis
Regierungsbezirk
Einwohnerzahl
Groß Rackitt, Dorf
Lauenburg i. Pomm.
Stolp
Stettin
Stolp
Cöslin
559

Quelle : Leuchs Adressbücher (ab 1892)

Groß-Rakitt Dorf u. Gutsbezirk, 600 Einwohner, AG Lauenburg, LG Stolp, Bahnhof Damerkow, Post und Telegraph
Gasth.: Friedländer/F. Scheltzke
Fleischer: A. Damaschke
Gutsbes. (Rittergut): Landbank für Pommern, Administrator Erich Kohtz
Molkerei: Erdmann Dittmer
Schmied: A. Dobrunz
Schneider: A Frost
Schuhmacher: K. Meier
Stellmacher: O. Heinrich
Viehh.: R. Baaske
Ziegelei: O. Heinrich


Quelle : Gemeindelexikon (1905)

Groß Rakitt ist bei der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 als Gutsbezirk und Landgemeinde, zum Amtsgericht in Lauenburg und zum Amtsbezirk Bochowke gehörig, aufgeführt.
Als Wohnplätze des Gutsbezirks sind angegeben Herrmannshof (1 Wohnstätte und 7 Einwohner), Johannishof (1 Wohnstätte und 2 Einwohner), Neuhof (27 Wohnstätte und 216 Einwohner), Wildbergshof (6 Wohnstätte und 61 Einwohner) und Wilhelminenthal (4 Wohnstätte und 65 Einwohner). Zur Landgemeinde sind keine Wohnplätze angegeben.
 
  Gutbezirk Landgemeinde
Gesamtflächeninhalt in ha
1094,2
662,8
Durchschnittlicher Grundsteuer-Reinertrag auf 1 ha
2,97
2,43
Bewohnte Wohnhäuser
53
43
Andere bewohnte Baulichkeiten, Hütten, Zelte,
Schiffe, Wagen und dergleichen
-
-
Haushaltungen : gewöhnliche von 2 und mehr Personen
84
65
Haushaltungen : Einzellebende mit eigener Hauswirtschaft
2
3
Bevölkerung
472
344
- " - , davon männliche Personen
244
177
- " - , davon aktive Militärpersonen
-
-
Religionsbekenntnis : evangelisch
396
326
- " - , davon sprechen deutsch
396
326
- " - , davon sprechen polnisch
-
-
- " - , davon sprechen kassubisch
-
-
- " - , davon sprechen deutsch und eine andere Sprache
-
-
Religionsbekenntnis : katholisch
76
14
- " - , davon sprechen deutsch
11
6
- " - , davon sprechen polnisch
65
8
- " - , davon sprechen kassubisch
-
-
- " - , davon sprechen deutsch und eine andere Sprache
-
-
Religionsbekenntnis : andere Christen
-
-
Religionsbekenntnis : Juden (deutsch sprechend)
-
4
Religionsbekenntnis : andere und unbestimmte Bekenntnisse
-
-
 


Quelle : Rezeß in der Besiedlungssache von Groß Rakitt vom 25 Juni 1909

Die Namen der Rentengutskäufer lauteten (R=Rentengutsnummer, B=Bemerkung):
 
Nr. Name
R
B
Nr. Name
R
B
Nr. Name
R
B
1.
BAEHR, Wilhelm
I
1
13. HEINRICH, Karl
XVI
3
25. HELLER, Wilhelm
XXXI
8
2.
MANN, August
IIIa
2
14. HEINRICH, Michael
XVII
4
26. WENZLAFF, Hermann
XXXII
 
3.
ROSIN, Ernst
IIIb
 
15. KUNKEL, Reinhold
XVIII
  27. PRIEN, Heinrich
XXXIII
9
4.
FISCHER, Rudolf
VI
 
16. SCHUMANN, Adolf
XIX
  28. SCHRÖDER, Georg
XXXIV
10
5.
GOHR, Karl
VII
  17. BRÜCKMANN, Adolf
XXI

29. DOBRANZ, Albert
XXXV
11
6.
SITTERLE, Erich
IX
  18. STEFAN, Johann
XXIV
5
30. SCHIELKE, Minna
XXXVI
 
7.
GLAUBKE, Friedrich
X
  19. HAUSS, Julius
XXV
  31. KOSACK, Emil
XXXVII
 
8.
JERZOMBECK, Wilhelm
XI
  20. KNUTH, Heinrich
XX
6
32. ZIERVOGEL, Otto
XXXVIII
 
9.
FÄRBER, Friedrich
XII
  21. VOSS, Paul
XXVII
  33. KIRSTEIN, Gustav
XXXIX
 
10.
FILBRANDT, Ernst
XIII
  22. LIETZOW, Witwe
XXVIII
7
34. THRUN, Reinhold
XXXX
 
11.
BIRR, Friedrich
XIV
  23. NICKEL, Otto
XXIX
  35. SCHRÖDER,Theodor
XXXXI
 
12.
BANDEMER, Paul
XV
  24. NEUMANN, Heinrich
XXX
  36. RANNACHER, Paul XXXXII  
   
 
          37. SCHULZ, August
XXXXIII
 

Auf der Übersichtskarte vom 16. März 1911 sind folgende Änderungen enthalten bzw. zugefügt worden:

1 Ia: ZOBEL, Karl und Ehefrau; Ib: TEETZ, Gustav; Ic: LABUDDE, Oskar
2 jetzt GUST, Otto
3 KLINDT, Karl und Ehefrau jetzt Witwe wiederverheiratete HOEPKE
4 HEINRICH, Ottilie, geb. KLAGGE, Witwe und Tochter jetzt NEUMANN, Johann
5 jetzt WEDDE, Albert
6 XX: SCHWOCHOW, Gustav; XXa: GARBE, Ernst
7 LIETZOW, verw. Friedrich und Kinder jetzt KOCHOLL, Gustav
8 jetzt SITTERLE, Adalbert
9 BOJACK, August
10 jetzt die Witwe
11  KEHRING, Heinrich und Ehefrau
 


Quelle : Ostpommersche Heimat Jahrgang 1932 Heft 22

Die Glashütte in Neuhof exsitierte von 1833 bis 1868.

Verschwundene Glasindustrie im Kreis Stolp
von Kurt Knorr
(Originalartikel hier)


 


Quelle : Güteradreßbuch Pommern (1911)

Ein Klick auf die Photos öffnet sie in höherer Auflösung. 

Neuhof
(111 KB)
Das Restgut Neuhof war im Besitz von Wilhelm BAEHR.
Gegend bei Neuhof
(112 KB)
(Gegend bei Neuhof)

Der Grundsteuerreinertrag betrug 473 Mark.
 
Größe in Hektaren (abgerundet)
 
Summe
Acker inkl.
Gärten
Wiesen
Weiden
Holzungen
Umland, Hof-
räume, Wege
Wasser
Neuhof
140
78,8
16
12
31,5
1,7
 

 
Viehstand
 
Pferde
Rindvieh
davon Kühe
Schafe
Schweine
Neuhof
10
34
 
 
 
 


Quelle : Ostpommersche Heimat Jahrgang 1932 Heft 10 und 11

An der deutsch-polnischen Korridorgrenze
im Landkreise Stolp

Von Alfred Dreyfeldt
(Originalartikel hier)

  Zu unserer geplanten Grenzwanderung vorsichtig ausgerüstet mit Inlandspaß, Kompaß und zuverlässigen Karten besteigen wir an einem Sonntagmorgen des Jahres 1931 vor dem Kreishause in Stolp den weißblauen Omnibus der Kraftverkehrslinie Stolp - Großrakitt, um mit ihm in 1 ?  Stunden nach Schwarzdamerkow zu fahren. Bis Spitzkrug geht die Fahrt auf der uralten Ostlandstraße Stolp - Danzig. Reitz mit seinem Schweizerhäuschen und seiner Parkromantik fliegt vorüber. Schnurgerade, länger und enger werdend, bleibt die Kunststraße hinter uns zurück. Links an ihr liegen auf der tischebenen Hochfläche die von Duisburgischen Güter Vilgelow und Papritzfelde. Zu ihrer Rechten erstreckt sich das Rentengutsdorf Ludwigslust mit seiner abseitigen Windmühle. Durch das Wiesental des Karstnitzbaches schaut Sageritz mit seiner hochtürmigen Kirche herüber. Am Winkelpunkt der nach Hebrondamnitz absprossenden Straße wird Gut Mahnwitz durchfahren. Ein kurzer Aufenthalt in dem Zwillingsdorf Denzin-Dumröse, wo im Sommer der seltene adriablaue Wiesenstorchschnabel blühte. Im Dumröser Walde werfen wir einen flüchtigen Blick auf einen Stein, der hier zum Gedächtnis an die Reiserast eines preußischen Königs gesetzt worden ist. Am Gasthaus Spitzkrug verläßt unser Wagen die nach Lauenburg weiterführende Straße und rollt über Malzkow hinab in den Flecken Lupow. Ein- und Aussteigen, und weiter geht's auf birkenbestandener Chaussee, durch geheimnisvollen, von Rotbuchen und Eichen unterbauten Nadelwald, mit erhebender Aussicht auf das steile gewölbte Hochufer des Lupowflusses. In Niemietzke wird ein Angler mit Fischzeug und Gummistiefeln ausgefrachtet, und nach kurzer Fahrt sind wir in Schwarzdamerkow.
  Am Straßenkreuz erinnert uns das blumengeschmückte, säulenverzierte Kriegerdenkmal an den Weltkrieg und seine Folgen : Deutschlands blutende Grenzen. Neben dem Denkmal ragen drei Tafeln auf. Die erste, auf schwarz-weißem Pfosten befestigt, trägt die Aufschrift : „Zur Landesgrenze über Großrakitt 13 Klm.“. Auf der zweiten lesen wir : „Zollstraße nach dem Zollamt Neurakitt“, auf der dritten, der sogenannten Hoheitstafel, steht lakonisch „Zollgrenzbezirk“. Wir durchschreiten Schwarzdamerkow-Nord, übergehen auf hoher Brücke den Streckenzug der Bahnlinie Bütow - Lauenburg und wandern unter dem grünen Kronendach der schönsten und längsten Birkenchaussee des Kreises grenzwärts. Südlich der Straße deutet das Langrohr des Jerskewitzer Brennereischornsteins das Dasein des Dorfes an, das im Bogen der Endmoräne des 181 Meter hohen Pietschker Berges daliegt. Stoppelfelder auf kurzkuppigem Boden, blaßgrüne Wiesen mit Heuhügeln und schwarze Moortümpel umsäumen die Straße. Links ist uns ein raumgreifender Blick über bodenwellige, riesige Kahlschlagflächen bis zu den blauen Kosemühler Bergen gestattet. In der Nähe des Chausseehauses steht auf dem weiten geschorenen Landstrich einsam-allein eine wunderschöne hohe Fichte, anzuschauen wie eine grüne Pagode. Als die Sonne langsam durchs Gewölk stößt, werden dem Chausseehaus schräg gegenüber der graue blänkernde Wasserspiegel des Jassener Sees und die rauchkräuselnden Schornsteine des Seedorfes Saviat sichtbar. Erinnerungen an eine frühere Wanderung dorthin formen sich zu Bildern: Wir erinnern uns des freundlichen Gasthofes mit seiner sehenswerten Sammlung seltener Wasservögel, wir erinnern uns auch der Lupow, die dort dem Jassener See entläuft.
  Kaum haben wir der Lupow gedacht, so kommt sie schon durch ein Spalier grüner Erlenkandelaber in einer breiten Talaue flink daher gezogen. In einem Tunnel unterfließt sie die Chaussee und nimmt im Schattendunkel von Hainbuchen und Weiden ihren Oberlauf nordwärts. Rechts der Straße sehen wir die Postagentur Wottnogge und ahnen dahinter in einem Talkessel das gleichnamige Mühlendorf. In einer Umrahmung hochgewachsener Fichten, etwas von der Chaussee zurückgezogen, finden wir den Gasthof „Deutsches Haus“. Sein Name hat hier im Grenzland einen wehmütigen Beiklang. Nun taucht auch die

Großrakitter Kirche

auf. Sie steht zwischen dem fast verlandeten Pitwintschkesee und dem Gesorkensee auf der höchsten Erhebung des Dorfes. Als ein ländlicher, aber ehrwürdiger Holz-Stein-Bau wurde sie im Jahr 1913 aus einer schon damals vorhandenen Kapelle ausgeführt. Es ist die grenznächste deutsche evangelische Kirche des Kreises. Vom Kirchberg gehen wir, vorbei an der Schule mit ihrer Edeltannenhecke, hinein ins Dorf. Sein Hauptteil rankt sich um den fußförmigen „Großen See“ beiderseits der südwärts liegenden Straße nach Jassen. Unmittelbar am See erhebt sich das Gasthaus mit dem für einen Inlandsgasthof ungewöhnlichen Namen „Strandgasthof“. In ihm kehren wir zu kurzem Trunk und Imbiß ein. Bald entwickelt sich ein Gespräch mit den „Eingeborenen“; denn Gäste aus Stolp sind in Großrakitt selten. Aus den Reden hören wir von der wirtschaftlichen Verschlechterung durch die Grenzlegung. Wir erfahren, daß „sie“, die von drüben, von jenseits der Grenze, früher hier nach Großrakitt kamen, um einzukaufen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Ein Unterton der Erbitterung darüber schwingt mit, daß die Kreisstadt so wenig tätige Teilnahme an dem Schicksal der Grenzbevölkerung zeigt.
  Gewiß, wieviel Stolper gibt es, die wissen, daß der Landkreis Stolp auf fünf Kilometer Länge an den Weichsel-Korridor grenzt? Und wievielen ist dieser deutsche Grenzzipfel bekannt? Hier ist national bedrängtes Land, hier wohnen Deutsche, die es verdienen, daß man sie in ihrer Grenzeinsamkeit aufsucht. Könnte nicht mancher städtische Verein usw. einmal im Jahre diesem schier vergessenen Land einen Besuch machen, um so die Schicksals-Verbundenheit mit unseren grenzpommerschen Volksgenossen zu bekunden, um sie auf ihrem nationalen Vorposten seelisch zu stärken und um mit eigenen Augen die Grenze und die Sappe der pommerschen Grenzmark in ihrer herben landschaftlichen Schönheit zu sehen?
  Ermahnungen der Einheimischen zur Vorsicht in der Nähe der Grenze, um Ueberschreitungen zu vermeiden, nehmen wir im Vertrauen auf unsere Meßtischblätter 1:25.000 gern hin. Und doch stellte sich bald heraus, daß ein Weg am „Grenzsee“, der uns zur Benutzung empfohlen wird, auf der Karte nicht eingezeichnet ist. Mit Lupe und Häkelnadel kommt der etwas schwachsichtige Wirt und zeigt uns den Verlauf des fragwürdigen Weges. Freudig erfahren wir noch, daß einige Stolper Bürger im Jahre 1931 hier ihre Ferien verlebt haben und dies auch für den Sommer 1932 beabsichtigen : Praktischer Grenzschutz, der viele Nachahmer finden möge.
  Gestärkt und wissenschaftlich bereichert verlassen wir das gastliche Haus. Von dem Uferweg am südlichen Seegestade überschauen wir noch einmal das weitläufige Grenzdorf, freuen uns an dem reinen Blau des sauberen Sees und seinem grünen Kalmusgurt und schlagen den Neuhütterweg ein. 600 Meter vom Wegweiser schwenken wir links in einen Feldweg ab. Zu beiden Seiten ist er von glitzernden Moorlöchern umlagert, die wildromantisch mit wasserliebenden Pflanzen bewachsen sind. Bald haben wir den Waldrand erreicht. Die Nähe der Grenze übt einen fühlbaren seelischen Druck auf uns aus, vor allem durch die Furcht vor einem irrtümlichen Grenzübertritt. Aus dieser Anwandlung reißt uns der „Grenzsee“. Ausgebreitet in einer Parklandschaft mit wechselreicher Naturausstattung blitzt er erzschimmernd wie ein Küraß durch die Uferbäume. Seine Name hat keine direkten Beziehungen zur deutsch-polnischen Grenze, obwohl diese sich seinem Süd- und Südostufer auf 100 Meter nähert. Grenzsee heißt er vielmehr, weil heute wie früher durch die Mitte seiner ostwestlichen Längserstreckung die kommunale Grenze der Lande Bütow und Stolp verläuft. Um ihn in seiner paradiesischen Ruhe photographieren zu können, schürfen wir durch den Uferwald und treten ans Wasser. Ein schwammig-lockerer Torfmoosgürtel, unterbrochen von scharf gewürzig duftenden Sumpfporstbüschen und schwarz bebeerten Krähenbeerstauden, zwischen denen Blaubeere, Rauschbeere und auch der vielbesungene Rosmarin nicht fehlen, umschmiegt sein Westufer.
  Ungern verlassen wir diesen letzten deutschen See auf Stolper Kreisboden. Auf dem uns in Großrakitt empfohlenen Wagenweg des nördlichen Ufers wandern wir ostwärts. Plötzlich endigt der Weg blind vor Torfgruben und Torftrockenplätzen. Ein Blick auf die Karte belehrt uns, daß ein Weitergehen in der Wegverlängerung leicht in einen Grenzübertritt ausarten kann. Mit dem Kompaß in der Hand schlagen wir daher Nordrichtung ein. Auf schmalen, unter hohem Pfeifengras begrabenen Erdmauern, die benachbarte Torflöcher trennen, balancieren wir dahin. Dann waten wir durch weichen Kugelrasen smaragdgrünen Widerton- und naßglänzenden Torfmooses und hüpfen zwischendurch über Wasseransammlungen von Bülte zu Bülte. Auf Baumstümpfen verschnaufen wir. Eine lehmige nasse Wiese nehmen wir im Laufschritt. Das natürliche Hindernis eines breiten Entwässerungsgrabens wird im Anlauf und Weitsprung bezwungen. Ueber anmooriges Feld, das von Schritt zu Schritt bodenfester wird, kommen wir in der Nähe des Abbaues Johannishof auf einen sandigen eingleisigen Fahrweg. Des rechten Weges uns nun wieder wohlbewußt, schreiten wir weiter, uns zur Seite die Wildnis des unwegsamen Grenzmoores, dessen offene und verborgene Gefahren wir soeben bestanden haben. Links in der Ferne leuchtet das Birkengrün der Zollstraße. - Der Karte nach müssen wir sogleich auf den

ersten Grenzstein

stoßen. Bald bestätigt sich unsere Vermutung. Da ragt er auch schon aus dem Wegrand heraus mit seinem granitnen eckigen Januskopf, ein wenig umfangreicher als ein gewöhnlicher Feldvermerkungsstein. Da steht dieses steinerne Grenzmal am Fuße einer gedrungenen stämmigen Traubeneiche, im Schatten der kugligen Baumkrone. Auf den Würfelflächen sind die ländertrennenden Runen eingemeißelt und der besseren Sichtbarkeit wegen teerschwarz ausgezogen. Die Kennziffer des Steines - B 096 - ist schwarz umkreist. Ueber den deutschen Weg in deutsches Land schaut der Antiqua-Buchstabe D (Deutschland). Ihm gegenüber auf der entsprechenden Seitenfläche steht das die polnische Landseite bezeichnende P. Auf der Oberfläche vereinigen sich spitzwinklig zwei Meißelrinnen. Sie bilden den Grenzwinkel und beglaubigen den Grenzverlauf bis zu den beiden benachbarten Steinen. Scheinbar regellos, und doch gesetzmäßig als harte Glieder einer Sperrkette zur steinernen Grenze zusammengefügt, wachsen diese Steinwürfel grenzauf und -ab aus der Erde. In den Schatten der Grenzeiche setzen wir uns nieder und hören unserem sachkundigen Gefährten zu, der großzügig die Entstehungsgeschichte der Grenze skizziert:

1919

  Am 28. Juni 1919 kommt in Versailles der Friedensvertrag zustande.  Teil II, Art. 27, des Vertrages bestimmt: die Grenzen Deutschlands werden folgendermaßen festgelegt ... 7. gegen Polen ... Von Großpeterkau nach Osten die Grenze Pommerns bis zu ihrem Treffpunkt mit der Grenze der Kreise Konitz und Schlochau; von dort nach Norden die Grenze zwischen Pommern und Westpreußen......*) (* Bezieht sich auf den Kreis Stolp.)
  Abschnitt VIII, Artikel 87, des Vertrages schreibt die Bildung eines Ausschusses zur Festlegung der deutsch-polnischen Grenze vor.

1920

  Im Januar 1920 tritt der Ausschuß in Paris unter dem Vorsitz des von den Alliierten ernannten Präsidenten, des General Dupont, zusammen und beschließt, daß künftiger Sitz die Stadt Posen ist. Hier beginnt im Februar die Kommission ihre Tätigkeit. Drei Unterkommissionen werden geschaffen, darunter eine für die Grenze Westpreußens. Die Unterkommission wird beauftragt, die festgelegten Grenzpunkte zunächst durch vorläufige Grenzzeichen zu bezeichnen. Ein Flugblatt der Hauptkommission wird verbreitet. Die Bevölkerung wird aufgefordert, der demnächst eintreffenden Kommission ihre Wünsche durch den Mund der Gemeinde- und Gutsvorsteher vorzutragen.

Am 14. Juni 1920

ist die Kommission in Großrakitt und nimmt die Wünsche der umliegenden Ortschaften hinsichtlich des Verlaufes der neuen Landesgrenze entgegen. Anfang September wird in der Vollsitzung der Grenzkommission die deutsch-polnische Grenze endgültig festgelegt. Eine Berufung gegen die Festsetzung gibt es nicht. Abweichend von der durch den Friedensvertrag gegebenen Grenzführung sollen vom Stolper Kreise zu Polen: Wilhelminental und Teile von Wildbergshof. - Neun Landwirten des Kreises hat die Grenze den Besitz zerschnitten. Andere beklagen die Zerschneidung freund- und verwandtschaftlicher Bande.

Ueber 100 Hektar Stolper Land sind polnisch geworden.

  Aus unseren historischen Erinnerungen werden wir durch anhaltendes Hundegebell aufgebracht. Es schallt von dem polnischen Grenzgehöft herüber, das wir in einer Entfernung von 200 Metern deutlich in der Kapuze seines grauverwitterten Strohdaches sehen. Zum Gebell gesellt sich eine Frauenstimme. Mit polnischem Wortschwall beruhigt sie den Hund. Zwischen den Baulichkeiten des Polenhofes trotten zwei schwarz-weiße Kühe hervor. Sie laufen in kurzem Galopp auf die Grenzweide, wo sie sich ihrer nützlichen rupfenden und wiederkäuenden Tätigkeit hingeben. Nach diesem polnischen Zwischenspiel marschieren wir grenzlängs

von Grenzstein zu Grenzstein,

vorbei an polnischen Kartoffelfeldern. Vor Wildbergshof machen wir Halt. In flacher Böschung fällt zu unseren Füßen die polnische Grenzflur zum „Großen Trzemesnosee“ ab, von dem vor 1920 ein Viertel den Stolper Kreis hineingehörte. Am jenseitigen Seeufer steigt steil und hoch die Bergwand des Sullenschiner Forstes empor, lückenlos mit licht- und finstergrauem Laub- und Nadelwald behangen. Ein tückisch kläffender, bißbereiter Schäferhund sperrt uns den Eingang in das deutsche Grenzgehöft. Aber da kommt schon der Grenzbauer, der biedere Radde. Auf seinen Anruf schweigt der Hund. In dem Tagesgruß des Bauern lauern eingekapselt die unausgesprochenen Fragen: Seid ihr deutsch oder polnisch? Was wollt Ihr? Ungefragt geben wir Auskunft über uns, unser Woher und Wohin? Indessen mustert er uns behutsam vom Hut bis zu den Stiefeln. Endlich scheint er von unserer deutschen Landsmannschaft überzeugt zu sein und tritt aus der allen Grenzern eigenen Zurückhaltung und Schwerfälligkeit heraus und kommt sogar zwei Schritte auf uns zu. Auch der Schäferhund berichtigt sein Benehmen, stellt sein Kreisen um uns ein und setzt sich zu seinem Herrn. Radde wird gesprächig. Wir erfahren, daß er westpreußischer Flüchtling ist und beheimatet in Sierakowiz, einer pommerellschen Kleinstadt, die für uns Stolper dadurch Bedeutung hat, daß nahe von ihr der Stolpefluß entspringt. Mit Erstaunen erfahren wir ferner, daß Radde in seiner Kindheit von Nachbarskindern die kaschubische Sprache erlernt hat und sie noch jetzt vokabelweise beherrscht. Auch über die Besitzverhältnisse des „Großen Trzemesnosees“ werden wir unterrichtet. Das nördliche Seestück, 15 Morgen groß, gehört dem Polen Siska, dessen Gehöft zehn Meter von dem Raddeschen seeabwärts liegt. Die übrigen 10 Seemorgen sind polnischer Staatsbesitz. Der Fischreichtum des Sees verschafft dem Polen wahrscheinlich manchen Sloty für das Sparbuch.
  Aus dem Gottesdienst der Kirche in Gowidlino kehren jetzt die polnischen Grenzbewohner um den See herum in ihre Häuser zurück.
  Mit Dank und Händedruck scheiden wir von Radde. An seiner Besitzung schlängelt sich jetzt der Weg vorbei zu den von zahlreichen Hunden bewachten Höfen von Sengstock und Johann Wenzel. Bei dem letzten müssen wir ihn verlassen; denn die Grenze, die bis hierher in der Wiesensenke des Sees in einigen hundert Metern Entfernung wegparallel lief, fällt plötzlich mit westlichem Knick ein und schnürt seinen Fortsatz als polenhörig ab. Querfeldein stapfen wir daher hinauf zu dem hügelhoch und allein am Buschrande ragenden Hermannshof. Als wir an der offenen Hofseite vorbeigehen, kommen Frauen und Kinder in die Tür des Hauses gelaufen. Durch Mischwald erreichen wir die Zollstraße. Graswuchs erobert von den Seitengräben aus die tote karg gepflegte Straße.

„Achtung, Zollschranke !“

mahnt uns ein ihrer Mitte steckendes Schild. Nicht weit von dem Bruch- und Brachland, das mehreren Bauern aus dem polnischen Gowidlino auf deutschem Boden noch gehört, hemmt das deutsche Zollhaus unseren Vormarsch. Die Straße vor uns ist abgeriegelt durch die reichsfarbenen Zollschranken. Halbseitig rechts und links gibt die eine Schranke die Ausfahrt nach Polen und die andere die Einfahrt von Polen frei. Neben der Doppelschranke steht ein leerer Stuhl. Die Zollschranke ist nicht gleichbedeutend mit der politischen Grenze, diese ist erst etwa 150 Meter polenwärts zu überschreiten. Neu, weiß und rotzieglig, hält drüben das polnische Zollhaus die Verkehrswacht. Da sich weder von Osten, noch von Westen ein Mensch oder ein Fahrzeug dem Zollamt zum Durchlaß nähert, für uns daher keine Aussicht besteht, eine Zollabfertigung mit anzusehen, wandern wir weiter nach Neurakitt und entfernen uns dabei mehr und mehr von der Grenze, die nördlich vom Zollhaus mitten durch den Paschkenbach getrieben ist. In der Grenzgeschichte ist diese etwa ein Kilometer lange Grenzbachstrecke dadurch berühmt geworden, daß sie seinerzeit

Gegenstand eines deutsch-polnischen Grenzstreites

war und darüber hinaus zu einem Sonderfall wurde, in dem Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen eine Grenzverbesserung erzielte.
Die Unterkommission hatte nämlich die Grenze auf das deutsche Ufer gelegt und den Bach in seiner ganzen Breite, soweit er nördlich von Wilhelminental die pommersch-westpreußische Grenze bildete, den Polen gegeben. Diese Entscheidung focht die deutsche Delegation durch Protest bei der Hauptkommission in Posen an und hatte den Erfolg, daß diese den Spruch der Unterinstanz aufhob und die Grenze in die Bachmitte legte. So verblieb in diesem Abschnitt der halbe Paschkenbach bei Deutschland. Nicht ohne Interesse sind die Gründe, mit deren Hilfe der Protest gewonnen wurde. Man wies darauf hin, daß die Anlieger den Bach seit langen Jahren als Tränke für das Weidevieh benutzen und daß das Vieh bei heißem Wetter gewohnheitsgemäß gewaltsam an und auch in den Bach läuft, wodurch es leicht zu Grenzzwischenfällen kommen könne. Auch die wirtschaftliche Notwendigkeit eines geordneten Betriebes der Bachmühle für die umliegenden, allein auf sie angewiesenen Ortschaften, der nur durch regelmäßige Ausräumung des Bachbettes gewährleistet sei, wurde zur Begründung angegeben.
  Von dem nach Neurakitt sich hinaufwindenden Wege genießen wir eine prächtige Weitsicht hinein in das Grenzland mit seinem Wechsel von Berg und Tal und seinen Gegensätzen von Natur und Kulturland. Bei Kleinrakitt stellen wir auch den unter Naturschutz stehenden urwüchsigen Eibenhain fest, den Rest eines ausgerotteten stolzen Eibenwaldes. Neurakitt - auf dem Meßtischblatt heißt der Ort noch Neuhof - ist ein Zeilendorf, in dem die Schule und die Jugendherberge die auffälligsten Gebäude sind. Vom Dorfnordende einfällt das Gelände zum Paschkenbach, der hier schon nordwestlich fließt. Ein stilles tiefes Erosionstal - mit dem weder die Glanzpunkte des Stolpe-, des Lupow- noch des Lebatales wetteifern können - stellt eine Serie schönster Landschaftsgemälde zur Schau. Wasser, Wald und Wiese sind eine beglückende landschaftliche Mischung eingegangen und und locken: Kommt und seht! Wild sprudelnde Grundwasserquellen sprudeln als gischende Bäche aus den Gewölben der Talhänge heraus. Ihr Grollen, Strudeln, Wirbeln und Murmeln ist schon dort zu hören, wo sie noch unterirdisch fließen. Alle Bäche münden in den Paschkenbach, den zwerghaften Nachfahren des gewaltigen Eiswasserstromes, der am Ende der Eiszeit unterm Inlandgletscher diese riesige Talfurche auspflügte. Schwarzerlen in den mannigfaltigsten Wuchsformen, vom stammlosen Rundbusch bis zur hohen Erlensäule, geleiten das ungetrübte Wasser des mäandernden Baches talhinunter zum fernen Lupowfluß. Die einzige Talsiedlung ist die Wassermühle mit einem großartigen künstlichen Wasserfall. Ein Weg, dem die Abdachung des Geländes, die Bestimmung zum Fahrweg und die Rücksichtnahme auf die Zugtiere Form, Anlage- und Steigungswinkel vorschrieben, führt erst am Bach entlang, dann, auf den südlichen Talhang übergreifende, in schiefer Ebene, stellenweise von Bergwässern stark durchtränkt, ins Dorf Kleinrakitt. Mit einem Abschiedsblick umfassen wir zum letzten Mal das liebliche Tal, ehe es versinkt. Gern würden wir im Dorfe, inmitten seiner weißgetünchten Häuschen mit den schmalen Vorgärten, rasten, doch der Tag geht zu Ende. An der braunkiesig-frischgeschütteten Chaussee nach Wutzkow gucken wir noch schnell in den geologisch bemerkenswerten Ausschluß einer Sandgrube. Längs der Starkstromleitung, durch kieshaltiges Land, dessen Magerkeit Habichtskraut und Weingärtnergras bescheinigen, durch schweigenden Kieferwald, erreichen wir am Postamt Wottnogge die Zollstraße. Ohne Störung vollzieht sich unser Rückmarsch nach Schwarzdamerkow. Eine Viertelstunde bis zur Abfahrt nach Stolp dient dazu, um im Gastschen Gasthof den achtstündigen Durst zu stillen. Auf den bequemen Lederkissen des Omnibus', der uns am Morgen herbrachte, landen wir müde, aber in der Gewißheit, die unvergeßlichste Wanderung des Jahres hinter uns zu haben, am Kreishause zu Stolp.
  Wohlauf denn, Vereine, Schulen, Wanderer und Naturfreunde! Die Stolper Grenzmark wartet auf euch! Vergeßt sie nicht! Besucht sie! Immer wird sie Euch freundlich empfangen! Bedenkt auch sie, wenn es gilt, einen Wandertag festzulegen! Ihr dient damit dem Vaterlande!


Quelle : Stolper Heimatblätter
 
 
Ehrenmal in Groß Rakitt, entnommen dem Stolper Heimatblatt, Jahrgang IX Nr. 11, November 1956
Heide und Moor bei Groß Rakitt, entnommen dem Stolper Heimatblatt, Jahrgang XII Nr. 9, September 1956

Quelle : Aircraft Crashes Record Office

Laut dem Archiv 1934 soll am 6. November 1934 eine Junkers JU 52 der Deutschen Reichbahngesellschaft mit dem Luftfahrtkennzeichen D-AVAN bei Groß Rakitt abgestürzt sein. Alle 5 Personen an Bord überlebten den Absturz nicht.
 


Quelle : Karl-Heinz Pagel (1989)

Die Lage an der deutsch-polnischen Korridorgrenze prägte das Leben der Gemeinde Groß Rakitt in der äußersten Südostecke des Landkreises. Der Hauptteil des Ortes rankt sich um den flußförmigen Großen See beiderseits der südwärts liegenden Straße nach Jassen. Von der polnischen Grenze führte eine Chaussee an Groß Rakitt vorbei über Lupow nach Stolp. Früher kamen auf dieser Straße die Leute von ,,drüben“ ,um in Groß Rakitt einzukaufen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Aber das war seit Versailles vorbei.

Einige Angaben über die Gemeinde Groß Rakitt aus der Zeit von 1945 in Kurzform:
 
Zugehörige Ortsteile keine
Gemeindefläche in ha 668
Wohnbevölkerung am 17. Mai 1939 314
Zahl der Haushaltungen 92
Zahl der Wohnhäuser 1925 54
Amtsbezirk Hohenlinde
Standesamtsbezirk Hohenlinde
Gendarmeriebezirk Groß Rakitt
Amtsgerichtsbezirk Lauenburg i. Pom.
Gemeindevorsteher 1931 JAßNOW
Bürgermeister 1937 Landwirt Otto SCHMIDTKE
Nächste Bahnstation Helenenhof
Entfernung 7 km
Bahnlinie Bütow - Lauenburg (Reichsbahn)
Poststelle I Groß Rakitt

Letzte postalische Anschrift
Groß Rakitt
über Bütow (Bz. Köslin)

Groß Rakitt gehörte zu den adligen Gütern. Es erscheint schon 1377 als Rokitke und 1601 wird die Feldmark Rakitken genannt. Einer Familie Rackitt gehörte um 1690 halb Stresow. Groß Rakitt war 1505 ein Pirchsches und später ein Münchowsches Lehen.
Die Hufen-Klassifikation von 1717 enthält für Groß und Klein Rakitt die Eintragung:
 
Besitzer: Geheimbt Raht und Cammer Präsident Christian Ernst von MÖNCHOW
Bauern a 1 Lh.: 1. Steffen KOSCH
2. Paul GEMEIN
3. Jacob KNOP
4. Greger EYMER
5 Jacob KUSCH
6. Steffen KOSCH
7. Steffen BLETSCH
8. Paul BLETSCH
9. Swientek CHASCKE.
Halbbauern: 1. Steffen HINGT
2. Jürgen GEMELN
3. Jürgen MARTZECK
4. Christian PASCH, Krüger
Cossäthen: 1. Paul KUSCH sen.
2. Paul KUSCH jun.
3 Swientek WIETZK

Von den Münchows ging Groß Rakitt nach mehrfachem Besitzwechsel 1781 auf den Rittmeister Siegmund Adam von WILDBERG über. Nach Brüggemann hatte es damals ein Vorwerk, fünf Bauern, zwei Halbbauern, vier Kossäten, einen Schulmeister, auf der Feldmark des Dorfes das Vorwerk Philippsruhe mit einer Schmiede und sechs anderen Katen, insgesamt 38 Feuerstellen. Bis 1835 blieb Groß Rakitt im Besitz der Familie von Wildberg. 1861 erwarb es der Oberamtmann ZABEL aus der Neumark für 75000 Taler. Die letzten Besitzer waren 1893 Joachim LÜTTKE und dann die Landbank AG in Berlin. Schon 1907 hatte die Pommersche Ansiedlungsgesellschaft hier vier Siedlungsstellen eingerichtet: eine unter 5 ha und drei über 15 ha. Im Jahre 1920 kam ein aufgrund des Versailler Vertrages gebildeter Ausschuß nach Groß Rakitt, der die neue deutschpolnische Grenze festlegen sollte. In einem Flugblatt wurden die Bewohner aufgefordert, der demnächst eintreffenden Kommission ihre ,,Wünsche“ durch den Mund der Gemeinde- und Gutsvorsteher vorzutragen. Das war natürlich eine reine Farce. Am 14. Juni 1920 traf die Kommission in Groß Rakitt ein und nahm auch die Wünsche der umliegenden Ortschaften hinsichtlich des Verlaufes der neuen Landesgrenze entgegen. Aber die Grenze wurde Anfang September in der Vollsitzung der Grenzkommission endgültig festgesetzt. Eine Berufung gegen die Festsetzung gab es nicht. Abweichend von der durch den Friedensvertrag gegebenen Grenzführung fielen vom Stolper Kreis Wilhelminental und Teile von Wildbergshof zu Polen. Neun Landwirten hatte die Grenze den Besitz zerschnitten. Über 100 Hektar Stolper Landes wurden polnisch. Viele beklagten die Zerschneidung freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Bande. Es ist wenig zu berichten über das Bauerndorf Groß Rakitt in den letzten Jahren seines Bestehens. Nur selten verirrten sich Wanderer aus Stolp oder dem Westen hierher, um im Gasthaus ,,Deutsches Haus“ oder im ,,Strandgasthof“ in Groß Rakitt einzukehren.


(Photo entnommen dem Stolper Heimatblatt, Jahrgang XV Nr.1, Januar 1962)

Im Jahre 1939 hatte Groß Rakitt 48 bäuerliche Betriebe:
17 mit 0,5 bis unter 5 ha
5 mit 5 bis unter 10 ha
16 mit 10 bis unter 20 ha
10 mit 20 bis unter 100 ha

Im letzten Güteradreßbuch werden als Bauernhofbesitzer namentlich genannt:
 
Hermann BIRKHOLZ 24 ha
Emma KERSTEN 33 ha
Berta BLOCK 45 ha
Karl KRAMP 26 ha
Otto GRÜNWALD 24 ha
Otto MALMGRÖN 23 ha
Hugo HOEFT 21 ha
Ludwig STRICKER 38 ha
Albert HÖPPNER 20 ha
Hermann TANDECK 26 ha
Franz JAßNOW 42 ha

Sie hatten in der Regel zwei Pferde, bis zu neun Kühe, einige Schafe und zehn bis 15 Schweine. Der Grundsteuerreinertrag auf ein Hektar war mit 2,42 RM der niedrigste im Landkreis (Durchschnitt 5,95 RM).

Über Handel, Handwerk und Gewerbe gibt das Reichsadreßbuch 1941/42 Auskunft. Dort sind verzeichnet: die Ländliche Spar- und Darlehnskasse EGmbH, der Bäcker KLEIN, die Fahrradhandlungen Walter WEICHBRODT und Heinrich WOLFF, die Fischerei Robert PICK, der Fleischer A. MUCH, die Gasthöfe Otto HEINRICH und Wilhelm WITTKOP, die Kolonialwarenhandlung Heinrich HINZ, die Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt Erich GEFFE, die Manufaktur- und Modewarenhandlung Robert PERLICK, die Möbelfabrik TONERT und Sohn, die Sattler Erich SCHRÖDER und O. ZIERVOGEL, und die Schmieden Aug. DOBRUNZ und Robert LEICK. Als Hebamme hatte sich Frau Anna RENNER niedergelassen. Das Kaufhaus Julius GOLDSTROM und der Gemischtwarenladen Erna TABOR mußten nach 1933 schließen.
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Schule Groß Rakitt
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In der im Jahre 1932 dreistufigen Volksschule unterrichteten zwei Lehrer in drei Klassen 75 Schulkinder. Die Gemeinde Hohenlinde hatte (jedenfalls bis 1932) keine eigene Schule. Die Kinder gingen teils in Klein Rakitt, teils in Wutzkow zur Schule. Lehrer in Groß Rakitt waren MILZ, ZIEBEL, Paul LEMKE und Wilhelm NITZ.

 Im Dorf befand sich bis zuletzt das HJ-Landdienstlager 1/49.

Am 8. März 1945 wurde Groß Rakitt von sowjetischen Truppen besetzt. In ihrem Gefolge kamen die Polen und vertrieben die Bewohner. Die Heimatortskartei Pommem hat später 176 von ihnen in der Bundesrepublik Deutschland und 59 in der DDR ermittelt. Aus Groß Rakitt wurde Rokity.

Kriegs- und Vertreibungsverluste: 10 Gefallene, 11 Ziviltote und 68 Vermißte (,,ungeklärte Fälle“).


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Zerfallener und zerstörter deutscher Friedhof im August 2000, gerade mal drei Gräber konnte man noch als Gräber identifizieren. Bei ihnen waren frische Blumen abgelegt.

Quelle : Seelenlisten (1945)

Folgende Familiennamen sind für Groß Rakitt aufgeführt:

Albrecht, Bandemer, Biegus, Birkholz, Blase, Block, Dahlmann, Damaschke, Dobrunz, Dressel, Eirund, Geffe, Gladow, Gowitzke, Grosch, Grünwald, Guske, Haase, Haus, Heinemann, Heinrich, Hermann, Hinz, Höft, Höppner, Hübner, Jassnow, Kersten, Kiekbusch, Kiesel, Klewer, Knuth, Kohn, Kräft, Kramp, Kroll, Krüger, Kübschull, Kumm, Kummerow, Kunkel, Kuschel, Labudde, Leick, Lenke, Lenser, Maleck, Malmgrön, Maschke, Meier, Micklei, Mietzke, Much, Neumann, Nitz, Pallas, Perlick, Peter, Pick, Pollack, Pudwell, Renner, Ruch, Rückward, Schielke, Schmidtke, Schneider, Schröder, Schubert, Schünemann, Schwoch, Sengstock, Splettstößer, , teinmetz, Stoll, Strauch, Stricker, Suppes, Tabbert, Tabor, Tandeck, Thrun, Tonert, Tröder, Vedder, von Hatten, Weichbrodt, Weigt, Wenzel, Wichmann, Wiesetzke, Wilke, Willer, Witt, Wittkopp, Wolf, Ziegert
 


Quelle : eigene Verwandtschaft (2000)

Ein Ortsplan, erstellt von Erich SCHULZ, dem Ehemann meiner Großtante Meta SCHULZ, geb. KUSCHEL und gleichzeit der Großvater von Thomas SCHLAGER.


 


Quelle : Adresslisten der Stolper Heimatblätter
 
Familienname Geburtsname Vorname Geburtsdatum Sterbedatum Beruf
Geffe   Erich      
Geffe   Martha      
Geffe   Waltraud      
Granzow   Reinhold 11.03.1903   Landarbeiter
Jarzombeck   Paul     Schuhmacher
Kräft   Otto      
Neuman   Grete      
Neuman   Horst (Sohn)      
Neuman   Paul (Sohn)      
Neumann Leick Siegtraut      
Schmidtke Otto       Landwirt