Forschungsreise nach Hinterpommern
vom 9. bis 12. April 2002
Uwe Kerntopf & Tom Schlager
mit entsprechenden Links auf meine Pommern-Westpreußen-Homepage
Dank der hervorragenden Vorarbeit von Marianne Stanke aus Bonn-Holzlar und dem Antrieb von Georg Nitzke aus Wettmershagen haben wir die Erlaubnis bekommen, die im Pfarramt der ehemaligen evangelischen Kirche Groß Rakitt, Kreis Stolp, liegenden Archivalien zu sichten und auch zu kopieren.

Zu diesem Zweck startete ich zusammen mit meinem Cousin Thomas Schlager am Dienstag, 09. April 2002, vormittags um 10 Uhr in Richtung Polen. An Bord hatten wir einen Laptop, einen Scanner, eine Digitalkamera und einen Photokopierer, sowie ausreichend Papier und Ersatztoner. Gewappnet für alle Eventualitäten!

In Hannover machten wir einen Zwischenstopp, um einen weiteren gebrauchten Kopierer einzuladen, der DIN-A3 kopieren kann, da meiner dazu nicht in der Lage ist (er kann nur von DIN-A3 auf DIN-A4 verkleinern).

Die Fahrt führte uns weiter von Hannover um Berlin herum nach Stettin, wo wir ohne Probleme und ohne größere Verzögerung die Grenze passierten. Weiter ging es Richtung Stolp, aber vor Stolp, und zwar in Schlawe, bogen wir schon in Richtung Bütow ab, da wir im Burghotel Zamek  (http://www.hotelzamek.com.pl) ein Doppelzimmer reserviert hatten.

Abends um 22 Uhr kamen wir an und bezogen unser Quartier. Für das Abendbrot hatten wir vorgesorgt, Pumpernickel, Margarine, Salami, Gouda, Brathering und Dosenfleisch sollten unsere Begleiter für die nächsten 3 Abende im Hotel sein.

Am nächsten Morgen sollte es dann losgehen. Morgens noch schnell, wie man links sieht, einen Blick aus dem Zimmerfenster, da es ja am Vorabend schon dunkel bei der Ankunft war.

Ach ja, unser Auto stellten wir auf einem bewachten Parkplatz vor der Burg ab. Dieser wird von der Burg-Burschenschaft unterhalten und kostete 25 Zloty pro Nacht, also knapp über 7 €. Das Doppelzimmer kostete übrigens 180 Zloty incl. Frühstück pro Nacht für beide, also ca. 50 €.

Am Mittwoch morgen fuhren wir dann nach einem reichhaltigen Frühstück über Schwarz Damerkow nach Groß Rakitt. Der Pfarrer, Herr Stanislaw Jerzy Szarowski, erwartete uns schon. Zu unserer Überraschung sprach seine Haushälterin, Frau Ludwika Lis, sehr gut deutsch. Sie ist 1930 in der Nähe von Danzig geboren worden und ging auf eine deutsche Schule, erzählte sie uns. Da der Pfarrer weder deutsch noch englisch sprach, war dies natürlich für uns eine große Erleichterung.
Wir wurden sehr herzlich empfangen. Die Unterlagen lagen schon im Büro des Pfarrers bereit. Wir trugen noch schnell den DIN-A3-Kopierer rein und wollten loslegen. Aber leider produzierte der Kopierer derart schwache Kopien, so daß wir den zweiten Kopierer hereinholten und anfingen, die Kirchenbücher von DIN-A3 auf DIN-A4 herunter zu kopieren. Wir waren wirklich froh, einen zweiten Kopierer dabei zu haben. Na ja, etwas Zeitdruck hatten wir auch. Wir wußten vorher schon, daß der Pfarrer um 14:30 Uhr das Pfarramt verlassen mußte (und wir eigentlich dadurch auch). Außerdem stellte sich vor Ort auch noch heraus, daß  es am nächsten Tag keinen Strom geben würde! Also schalteten wir den Turbo ein.

Was haben wir denn nun vorgefunden?

Entsprechend der mir von Ralf Eichmann mitgeteilten Informationen sollten ja das Taufregister für die Jahre 1894 bis 1943 und das Begräbnisregister für die Jahre 1927 bis 1945 von Groß Rakitt vorhanden sein. Die Angaben für das Taufregister machten mich ja schon vorher stutzig, denn der Grundstein der Kirche wurde 1907 gelegt und die Kirche war bei der Visitation im Jahre 1909 fertig.
Bei der näheren Durchsicht der doch eher als Loseblattbesammlung zu bezeichnenden Taufregister stellte es sich heraus, daß es sich dabei um ehemals 2 verschiedene Taufbücher gehandelt haben muß. Nachdem wir die Seiten sortiert haben, stellten wir fest, daß die Jahre 1907 bis 1910 doppelt waren. Der Grund dafür war recht einfach. Bei den Taufbüchern handelt es sich wohl um

Taufen Kosemühl 1894 - 1910
(Bemerkung auf der letzten Seite: Vom 1. Februar 1910 ab wird der Bezirk Cosemühl wieder vom Pfarramte Mickrow, zu dem er stets gehört hat, pastoriert. Darum ist dieses Kirchenbuch mit dem 1. II. 10 zu schließen. Sendler)

Taufen Groß Rakitt 1907 - 1945 
(letzte Taufen am 7. März 1945 plus 1 Eintrag aus dem Jahr 1947)
Es fehlt leider eine Seite, der wir aber schon auf der Spur sind.

Das 
Begräbnis-Register Groß Rakitt 1907 - 1945

befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand. 
 

Aber es befanden sich noch weitere Unterlagen im Pfarramt:
  • Acta generalia der Pfarre zu Jassen betreffend die äußeren Kirchensachen

  • Tit. I A2 Patronat, Gemeindeorgane, Matrikel, Visitationen, Kirchengrundstücke, Gebäude, Kassensachen
    angelegt: 1860, geschlossen: -
    (Es ist zwar auf dem Deckblatt groß 1624 geschrieben, das älteste Dokument ist aus dem Jahre 1764.)
  • Acta generalia der Pfarre zu Jassen betreffend der inneren Kirchensachen

  • Tit. II A1 Gottesdienst, Seelsorge, Konfirmanden, Separatisten, etc. Visitationen
    angelegt: 18. Januar 1856, geschlossen: -
  • Acta speciala der Pfarre in Jassen betreffend der inneren Kirchensachen

  • Tit. II B1 Gottesdienst, Seelsorgen, Konfirmationen, Separatisten, Visitationen, etc.
    angelegt: 1.Aug. 1836, geschlossen: 31. Dez. 1906
  • Kirchenakten

  • Kirchenvisitationsprotokolle von Jassen (auf Beschluß der Behörden über den Ausfall der Visitationen)
    Tit. II B2
  • Neubau eines Pfarrgehöfts in Groß-Rakitt, Kreis Stolp
  • Neubau eines Pfarrhauses in Jassen, Kreis Bütow

Diese Dokumente habe ich nun nicht auch noch auf den Kopierer gelegt, dies hätten sie sicher nicht unbeschadet überstanden. Einige für genealogische Zwecke wichtige Dokumente (Konfirmanden, Einwohnerlisten, ...) habe ich mit der Digitalkamera so gut es ging photographiert. Was ich aus diesen Dokumenten herausgezogen habe, wird demnächst ausgewertet und im Internet zur Verfügung gestellt.

Wir waren natürlich noch nicht um 14:30 Uhr, sondern erst über eine Stunde später fertig. Aber anscheinend haben wir solch einen guten Eindruck beim Pfarrer hinterlassen, nicht nur, daß seine Haushälterin unsere Arbeit durch Kaffeepausen mit Kuchen unterbrach, nein, wir haben sogar gemeinsam mit den beiden und dem auch dort wohnenden alten Pfarrer Palka zu Mittag gespeist. Als Pfarrer Szarowski nun um 14:30 Uhr nach Jassen fuhr, um dort einen Gottesdienst zu halten, ließ er uns in seinem Büro weiterarbeiten.
 

Wie wir fertig waren, fuhren wir ebenfalls nach Jassen. Als wir dort ankamen, war der Gottestdienst gerade beendet, er verabschiedete gerade seine Schäfchen. Er sah uns kommen und hielt eine Frau noch zurück. Wie sich herausstellte, war diese im nahen Bawerndorf geboren und sprach deutsch. Sie zeigten uns das Innere der Kiche, bei der wir ja leider bei unserem Besuch im August 2000 vor verschlossenen Türen standen. So verbrachten wir noch eine sehr informative Stunde bei der Kirche von Jassen.

Nachdem wir erfuhren, daß die Russen nicht nur das nebenstehende Gutsgebäude in Jassen niederbrannten, sondern auch die evangelischen Kirchenbücher, die für uns so wichtig gewesenen wären, schauten wir uns noch etwas in Jassen um und machten uns auf den Weg, um den nahen Ort Kamionken zu finden, den Geburtsort unseres ältesten KUNKEL-Vorfahrens.

(P.S.: Von Jassen gibt es dann doch leider nur noch die Zweitschriften, die im Archiv Stettin liegen, Angaben siehe hier.)

Es war eine sehr abenteuerliche Fahrt. Wir versuchten uns anhand alter Karten zu orientieren, da die polnischen leider nichts diesbezüglich hergaben. Eigentlich hätten wir einen geländetauglichen Wagen gebraucht, denn es ging nun kreuz und quer von Jassen aus über Neuendorf auf Feldwegen weiter. Kamionken haben wir nicht entdeckt, zwar den Nachbarort Borrowilaß, in dem unsere S(CH)ROCK und BOI(E)-Vorfahren nachweislich zwischen 1859 und 1867 lebten, vielleicht im rechts abgebildeten Haus?
Kamionken fanden also nicht, und wegen der schlechten Wege suchten wir auch schnellstmöglichst nach der nächsten asphaltierten Straße.

So fuhren wir noch etwas in der Gegend herum. Gowidlino, Klein Rakitt, Neurakitt und Bochowke, der Geburtsort meiner Mutter, waren die Stationen. In Bochowke entdeckten wir auch im nahen Wald den ehemaligen Friedhof, der sich erwartungsgemäß in dem Zustand befindet, den wir befürchteten bzw. auch schon so woanders vorfanden.
 

Einen kurzen Stopp machten wir noch wieder in Jassen bei einer KUNKEL-Familie, die wir im August 2000 kennengelernt hatten. Leider reichte es nur für ein kurzes Gespräch. Über Groß Pomeiske machten wir uns, da es schon dunkel wurde, auf den Rückweg nach Bütow.

Abends zurückgekommen im Hotel sortierten wir schon mal die Kopien und stellten dabei fest, daß die Loseblattsammlung der beiden Taufregister doch noch nicht richtig sortiert war. Außerdem haben wir vergessen, eine Seite zu kopieren. Also beschlossen wir, am nächsten Tag, dem Donnerstag, noch mal nach Groß Rakitt zu fahren um die Register zu sortieren und die fehlende Seite einzuscannen. Den Photokopierer konnten wir ja nicht erneut  aufstellen, da es ja angekündigt war, daß das ganze Dorf Groß Rakitt am Donnerstag ohne Strom sei.
 

Donnerstag morgen ging es jedoch nach dem Frühstück in die Museumsbibliothek der Burg Bütow. Georg Nitzke bat mich vor der Reise, einer dort tätigen Mitarbeiterin einen schönen Gruß zu bestellen. Aus dem Gruß wurde ein 2 Stunden dauernder sehr interessanter Erfahrungsaustausch. Die Museeumsbibliothek verfügt über einen wirklichen guten Bestand an Büchern, nicht nur über den Kreis Bütow.
Die Zeit drängte, wir hatten am Vorabend auch beschlossen, noch nach Stolp ins Archiv zu fahren. Aber vorher wollten wir "nur mal eben rasch" im Standesamt Bütow ein paar Dokumente holen! Na ja, es waren ca. 10 Personen vor uns dran, deshalb vertagten wir diese Aufgabe auf Freitag früh. Das Standesamt öffnet Freitags schon morgens um 7 Uhr die Pforten.
Also ging es zuerst nach Groß Rakitt. Dort angekommen, öffnete man uns erst nicht. Na klar, die Klingel funktionierte ja auch nicht. Strom war ja weg. Wir machten durch Klopfen auf uns aufmerksam. Der Pfarrer war überrascht wegen der erneuten Heimsuchung. Aber dies hatten wir schnell geklärt. Wieder ab ins Büro, den Scanner, der keine eigene Stromversorgung braucht, an den Laptop angeschlossen, der dank Akku ohne Strom auskommt, Digitalkamera in Position gebracht und den Rest erledigt. Nach einer guten halben Stunde waren wir auch fertig, herzliche Verabschiedung und weg.
Natürlich nahmen wir nicht den direkten Weg nach Stolp. Kurz hinter Groß Rakitt entdeckten wir auch den versteckt im Wald liegenden ehemaligen Friedhof von Wottnogge und Dambee.

Weiter ging es nach Kosemühl, in der Nähe der Straße von Schwarz Damerkow nach Wutzkow an der Gabelung zu Kosemühl befindet sich die ab 1928 erbaute katholische Kirche, bei der sich aber nach genauerem Hinsehen ein Riss im Turm von unten nach oben offenbarte.

Die Straße unter der zerstörten Brücke der Eisenbahnlinie Bütow - Lauenburg durch, vorbei am Gut Kose, ging es über Mickrow und weiteren Ortschaften Richtung Stolp.
 


In Stolp angekommen, hatten wir noch etwas Zeit, im Archiv zu stöbern, und zwar in den Rezeßakten von Groß Rakitt. Auch im Archiv trafen wir auf sehr freundliche Menschen.
Sehr interessant sind auch die Karten zu den Rezeßakten. In diesem Archiv hätten wir wohl noch Tage verbringen können.


Nun hatten wir aber für diesen Tag genug vom Forschen. Auf nach Stolpmünde und noch ein paar Minuten am herrlichen Strand relaxen und den Ostseewellen zuhören, wie sie ihre Lieder singen.

Und schon wieder ist ein ereignisreicher Tag zu Ende gegangen. Jetzt nur noch die Rückfahrt zum Hotel, ... aber
 
kurz vor Bütow machten wir noch einen Abstecher nach Groß Tuchen. Hier die beiden Kirchen des Ortes, wobei die untere ohne Fenster ist und eher baufällig wirkt.

Für Heinz Radde sollte ich auch das ehemalige Kriges-Denkmal in Groß Tuchen photographieren. Heinz, welches ist es denn nun,  für das Du Dich so eingesetzt hast bzgl. Restaurierung?

Am Freitag sind wir früh aufgestanden damit wir rechtzeitig genug ins Standesamt kommen. Nach dem Frühstück sind wir sofort rübergegangen, es liegt ja nur ca. 250 Meter von der Burg weg. Und siehe da, kein Frühaufsteher in Sicht. Die Standesbeamten waren sehr freundlich und hilfsbereit. Es kam auch niemand nach uns, so daß sie ausreichend Zeit hatten für unsere Anfragen und Wünsche.
Für den Geburtseintrag meiner Mutter benötigten Sie einen Nachweis, aber ich war ja vorbereitet. Reisepass, meine Geburtsurkunde und die Heiratsurkunde meiner Eltern reichten aus, um den Geburtseintrag einsehen zu können. Und nicht nur das, die Standesbeamtinnen selber fragten, ob ich eine Photokopie haben möchte! Nicht nur von dieser Urkunde, sondern von 3 weiteren fertigten sie beglaubigte Photokopien für mich an, mein Cousin Tom legte dann auch noch mit 3 Urkunden nach. Worüber wir sehr verblüfft waren, wir haben pro beglaubigter Kopie (Stempel, Gebührenmarken, etc., also hochoffiziell) nur 3 Zloty bezahlt, also noch nicht einmal 1 € !
Nachdem wir das Standesamt um 9:15 Uhr glücklich verlassen hatten, räumten wir das Hotelzimmer, bezahlten und machten uns auf den direkten Heimweg. Bis Stettin ging auch alles gut, am Grenzübergang war aber leider Stau. Außerdem wurden wir dann auch noch kontrolliert, es war dem polnischen Grenzbeamten anscheinend unverständlich, daß man mit 2 Kopierern an Bord Polen verläßt. Also wurde das Auto genauestens kontrolliert. Da aber nix zu beanstanden war, konnten wir die Grenze passieren. Tom habe ich nachmittags bei Berlin abgeladen, ich selber bin weiter nach Görlitz gefahren, da am Freitag die AGoFF-Vorstandsitzung und am Samstag vormittag die AGoFF-Mitgliederversammlung stattfanden. Samstag abend um 19:30 Uhr war ich wieder glücklich zu Hause bei meiner Familie.

26.04.2002 Uwe Kerntopf    eMail pom-wpru.kerntopf.com www.kerntopf.com